Verlässliche Quellen für die Kriegsberichterstattung
Warum liegen westliche Medien bei der Kriegserstattung immer falsch? Wie informiert sich VoicefromRussia und warum liegen wir meistens richtig?
Peter Hänseler
Einleitung
Nach über einem Jahr militärischen Konflikts in der Ukraine muss es für aufmerksame Leser der westlichen Presse äusserst frustrierend sein, dass die Meldungen und Prognosen sich dort regelmässig als falsch herausstellen.
Gemäss den westlichen Medien müsste Russland schon längst verloren haben.
Kann man es besser machen? – Ich glaube schon.
Um ein realistisches Bild zu erhalten, sollte man zwischen Fakten und Prognosen unterscheiden.
Fakten betreffen die Ist-Situation, d.h. wo verläuft der gegenwärtige Frontverlauf, was ist in den vergangenen Tagen passiert.
Prognosen betreffen die zukünftige Entwicklung und diese sollte man mit äusserster Vorsicht geniessen und sich fragen, ob die Person, welche diese Prognosen aufstellen, kompetent ist, und welche Interessen sie vertritt.
Weiter sollte man sich das berühmte Zitat, welches Winston Churchill, Karl Valentin, Mark Twain und Niels Bohr gleichermassen zugeschrieben wird, immer vor Augen halten.
«Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen.»
Winston Churchill, Karl Valentin, Mark Twain und Niels Bohr
Dieser Beitrag zeigt auf, welche Quellen die westlichen Medien verwenden und warum diese wenig Erhellendes zu einer objektiven Berichterstattung beitragen können.
Danach werfen wir einen Blick zurück in den 2. Weltkrieg und zeigen, dass es damals nicht besser war.
Schliesslich beschreibe ich, wie wir arbeiten.
Verwendete Quellen im Westen
Ukrainischen Regierung
Liest man die westliche Presse aufmerksam, so merkt man, dass die westlichen Medien ihre Berichte sehr oft auf Quellen der ukrainischen Regierung stützen.
Dies ist meines Erachtens aus folgenden Gründen eine fatale Strategie, die zu keinen guten Ergebnissen führt.
Die Ukraine ist finanziell und militärisch komplett abhängig von den USA, der NATO und der EU. Ohne deren Hilfe könnte die Ukraine diesen Konflikt keine Woche weiterführen.
Die der ukrainischen Regierung vom Westen zur Verfügung gestellten Mittel sind gigantisch. Bis Mitte Januar 2023 sandten allein die USA knapp USD 80 Milliarden in die Ukraine, davon waren knapp USD 47 Milliarden Militärhilfe.
Dazu kommen Hilfsgelder aus der EU und anderen Ländern, wobei die USA den Löwenanteil beisteuert.
Zum Vergleich, das russische Militärbudget beträgt ca. USD 66 Milliarden.
Für diese gigantische finanzielle und militärische Hilfe will der Westen militärische Erfolge sehen. Die gibt ihnen die ukrainische Regierung – zumindest auf dem Papier.
Ich habe mit Journalisten, welche in Kiev stationiert waren, gesprochen. Diese Leute haben ein gutes Leben. Sie hängen in 5-sterne Hotels herum und werden ein bis zweimal pro Tag von der ukrainischen Regierung mit Informationen gefüttert, die sie dann so umformulieren, damit niemand merkt, dass sich alle auf die gleichen paar Seiten Information stützen.
Das hat mir Journalismus oder Berufsethik, Respekt und Verantwortung vor dem Leser, Hörer oder Zuschauer nichts zu tun und jene Kollegen, welche so arbeiten, sollten sich in den Boden schämen oder besser noch den Beruf wechseln.
Die unabhängigen Medien in der Ukraine wurden übrigens kurz nach Kriegsbeginn geschlossen und viele Journalisten landeten in den Gefängnissen oder verschwanden spurlos. Es ist wichtig zu wissen, dass die wichtigsten oppositionellen oder auch nur kritischen Medien bereits lange vor den jetzigen militärischen Auseinandersetzungen verboten wurden, wie hier nachzulesen ist.
Somit sollte jeder Journalist mit einem Hauch Berufsstolz diese Quellen nicht übernehmen.
Britischer und amerikanischer Geheimdienst
Weiter werden Meldungen des britischen oder amerikanischen Geheimdienstes von den westlichen Medien ohne Prüfung als Fakten übernommen.
Diese Institutionen wurden geschaffen zur Durchsetzung von staatlichen Interessen.
Informationen, welche ein Geheimdienst sammelt – nomen est omen – sind geheim. Wenn diese Institutionen – auf welchem Wege auch immer – Informationen verbreiten, so sollte man diese mit aller gebotenen Vorsicht genießen.
Nicht alles, was diese Dienste sammeln und veröffentlichen ist geheim. Ein Großteil ihrer gesammelten Informationen stammen aus mehr oder weniger öffentlich zugänglichen Quellen. Lediglich der Rest ist tatsächlich geheim. Das eigentliche Kapital sind die Analysen, also die Gewichtung, Bewertung und Kombination von Einzelinformationen.
Diese Schätze werden sicherlich nicht mit der Öffentlichkeit geteilt.
Die Aufgabe eines Geheimdienstes ist es gerade eben, zu desinformieren. Das ist ein ganz wesentliches Stilmittel dieser ein zunehmendes Eigenleben führenden Truppen. Wobei die Zielgruppe in wachsendem Maße die eigene Bevölkerung, die Öffentlichkeit insgesamt ist.
Wenn man die von Geheimdiensten veröffentlichten Informationen um 180 Grad umdreht, so liegt man zu 90% richtig; so immer wieder erklärt von ehemaligen Geheimdienstlern aus Ost und West.
Wenn also Geheimdienste Informationen veröffentlichen, ist es unbedingt erforderlich, den Kontext in die Gesamtsituation einzubetten und ausgehend davon, das Gesagte sehr, sehr kritisch zu bewerten.
Wir haben bereits im Dezember in unserem «Ausblick 2023» über eine Falschmeldung des amerikanischen Geheimdienstes vom 15. November 2022 berichtet. Diese katastrophale Berichterstattung wurde von der Nachrichtenagentur AP übernommen und löste beinahe den 3. Weltkrieg aus. Man scheint nichts daraus zu lernen.
Dass die Sicht, Geheimdienstinformationen nicht zu trauen, richtig ist, zeigt sich nun in aller Klarheit, nachdem Dokumente des amerikanischen Geheimdienstes über die militärische Situation in der Ukraine auf dem Internet geleakt wurden.
Gemäss diesen Dokumenten, deren Echtheit nicht einmal von der amerikanischen Regierung bezweifelt wird, sind die Ukrainer sehr schwach und die Russen stark. Somit ist erwiesen, dass die amerikanische Regierung ihr Volk über ein Jahr lang anlog.
Jetzt könnte man davon ausgehen, dass sich die Regierung irgendwie herausreden würde, um die Lügen zu erklären. Weit gefehlt, John Kirby, Nationaler Sicherheitssprecher des Weißen Hauses, sagte dazu folgendes:
«Auch ohne die Gültigkeit der Dokumente zu bestätigen, handelt es sich um Informationen, die in der Öffentlichkeit nichts zu suchen haben. Sie haben – mit Verlaub – nichts auf den Titelseiten der Zeitungen oder im Fernsehen zu suchen. Sie sind nicht für die Öffentlichkeit bestimmt und sollten auch nicht veröffentlicht werden.»
Er droht somit der “freien” amerikanischen Presse. Das muss man sich erst einmal ganz langsam auf der Zunge zergehen lassen.
«Würden Sie Lügnern glauben, welche – nachdem die Wahrheit rausgekommen ist – den eigenen Medien verbieten wollen, darüber zu sprechen?»
Darüber berichteten wir letzte Woche: «Pentagon Datenleck – Dichtung stirbt, Wahrheit lebt»
Dazu kommt, dass die britischen und amerikanischen Geheimdienste faktisch Kriegsparteien sind, ihre eigenen geopolitischen Interessen vertreten und sicherlich nicht daran interessiert sind, die Öffentlichkeit mit der Wahrheit zu versorgen.
Würden Sie Lügnern glauben, welche – nachdem die Wahrheit rausgekommen ist – den eigenen Medien verbieten wollen, darüber zu sprechen?
Russische Regierung
Ich lebe in Russland und – ob man es glaubt oder nicht – die Informationen, welche das russische Verteidigungsministerium herausgibt, zeigen ein ehrliches Bild über die Situation auf.
Dennoch, als unabhängiger Journalist, käme es mir aus prinzipiellen Gründen nicht in den Sinn, mich bei meiner Arbeit auf diese Informationen abzustützen, denn Russland ist ebenfalls Kriegspartei und somit sind auch diese Informationen mit grösster Zurückhaltung zu geniessen und müssen einer Überprüfung standhalten.
Blick zurück – Wie wurde die Bevölkerung Deutschland im 2. Weltkrieg informiert
Über Ostern habe ich eines der besten Bücher seit langem gelesen: Die Biographie Adolf Hitlers, verfasst von Dr. Volker Ullrich.
Dies ist meines Erachtens die beste Biographie über Adolf Hitler, die ich je gelesen habe, da sich jede Aussage des Autors auf Quellen stützt.
Eine seiner Hauptquellen sind die Tagebücher Joseph Goebbels, des Propagandaministers unter Hitler, einer seiner engsten Vertrauten.
Band II der Biographie, welche sich mit dem Niedergang Hitlers zwischen 1939 und 1945 befasst, zeigt klar auf, dass die Deutschen den Zweiten Weltkrieg bereits im Dezember 1941 verloren hatten, als es den Deutschen nicht gelang, Moskau einzunehmen.
Dies sind übrigens keine neuen Tatsachen; bereits 1945/1946 anlässlich des Nürnberger Prozesses wurde dies etwa von Wilhelm Keitel, Chef des Oberkommandos der Wehrmacht, bestätigt.
Nach der Schlappe vor Moskau dauerte es danach jedoch noch über 3 Jahre bis Deutschland im Mai 1945 kapitulierte.
Während dieser langen Zeit wurde die deutsche Bevölkerung mit Propagandalügen dermassen eingeseift – ein anderes Wort fällt mir dazu nicht ein – dass viele Deutschen erst 1945 begriffen, dass der Krieg verloren war.
Liest man dieses Buch, so wird einem klar, dass der Propagandaminister nicht die Aufgabe hatte, Fakten zu publizieren, sondern Geschichten zu erzählen, welche lediglich dazu dienten, das deutsche Volk bei der Stange zu halten, an den Fronten zu sterben, zerbombt zu werden und in der Rüstungsindustrie zu arbeiten.
Ein extremes Beispiel dazu ist etwa die Rede Hitlers vom 8. November 1942 im Münchner Löwenbraukeller bezüglich dem kurz bevorstehenden «Sieg» in Stalingrad.
Zu diesem Zeitpunkt war die 6. Armee in Stalingrad bereits verloren. Hitler jedoch verkündete einen Sieg innert Tagen. Im Februar 1943 war die 6. Armee aufgerieben – 300’000 deutsche Soldaten – die Hälfte kam um und die andere ging in die Kriegsgefangenschaft.
Das folgende YouTube-Video ist übrigens nicht nur betreffend Inhalt ausserordentlich interessant, sondern es ist eines der wenigen Tondokumente, wo Adolf Hitler nicht schreit, sondern in einem normalen Ton spricht.
Meines Erachtens wird der Westen heute genauso schlecht informiert wie das deutsche Volk vor 80 Jahren. Die Gründe sind die gleichen.
Wie informieren wir uns?
Ich wende mindesten zwei Stunden pro Tag auf, um mir ein Bild der militärischen Lage in der Ukraine zu machen. Das ist zwar äusserst aufwändig, jedoch keine intellektuelle Meisterleistung.
Welche Quellen benutze ich nicht?
Offizielle staatliche Quellen der Kriegsparteien eignen sich, wie bereits gesagt, schlecht dafür, die Wahrheit zu finden, da es nicht darum geht ehrlich zu sein, sondern – siehe Goebbels – die Bevölkerung bei der Stange zu halten.
Vertrauen in Quellen
Bevor man einer Quelle vertrauen kann, sollte man sie über längere Zeit konsultieren und dann beurteilen, ob die von dieser Quelle über längere Zeit gemachten Aussagen mit den Fakten übereinstimmen. Das kann man nur entscheiden, wenn man viele Quellen parallel liest und sich ein Bild macht.
Kartenbasierte Quellen
Ich folge mehreren YouTube Kanälen, welche mit Karten den Frontverlauf zeigen, diese Kanäle publizieren ein bis drei Beiträge pro Tag. Davon gibt es viele und man muss immer wieder neue Kanäle zu Rate ziehen und diese vergleichen.
Die Glaubwürdigkeit eines Kanals ergibt sich daraus, dass der betreffende Autor seine Aussagen bezüglich Frontverlaufs nicht nachträglich ändern muss.
Seine Prognosen darüber, was als Nächstes passieren könnte, stimmen oft, aber das ist nicht essentiell, da diese Quellen für mich lediglich der Faktensuche dienen.
Von den englischsprachigen YouTube-Kanälen, welche ich gegenwärtig als ziemlich verlässlich erachte, seien an dieser Stelle zwei genannt: Military Summary und Weeb Union.
Ich konsultiere daneben eine Vielzahl wechselnder Kanäle und beurteile die Zuverlässigkeit laufend. Wer genau hinter diesen Kanälen steckt, weiss man ja nie genau.
Strategie und Prognosen: Geopolitische und militärische Kompetenz
Merkt man bei kartenbasierten Informationen, welche den Frontverlauf erklären, sehr schnell, ob der betreffende Autor Fakten oder Propaganda publiziert, so ist die militärische und geopolitische Beurteilung der Fakten ungleich schwieriger.
Militärische Kompetenz, welche ich selber nicht habe, kann man eigentlich nur im Krieg erwerben.
Ironischerweise gehören zu jenen Quellen, welche ich seit über einem Jahr verfolge, amerikanische.
Colonel Macgregor etwa ist pensionierter Colonel aus den USA. Er ist heute Politikwissenschaftler und Militärtheoretiker. Er führte 1991 Panzereinheiten bei der letzten grossen Panzerschlacht der Geschichte, der Schlacht von 73 Easting. Es war auch die erste dieser Art nach dem zweiten Weltkrieg.
Er ist somit kriegserprobt und er ist unabhängig.
Es lohnt sich, seinen Beurteilungen auf Youtube zu folgen.
Scott Ritter ist ebenfalls ein amerikanischer Veteran, welcher 1991 im Irak war. Auch er ist unabhängig und versteht das Kriegshandwerk. Seine tiefe Kenntnis politischer Strukturen – sowohl der UNO als auch der USA – kommt der Analyse der heutigen Situation zugute.
Analytiker, die tiefe Kenntnisse des russischen Militärs auch aus eigener Erfahrung haben, sind im Westen rar gesäht. Doch es gibt sie. Zu nennen sind hier insbesondere zwei Schweizer – Ralph Bosshard und Jacques Baud. Beide haben Erfahrungen aus Tätigkeiten in der Ukraine, Ralph Bosshard absolvierten die Akademie des russischen Generalstab. Es macht einen schon staunen, dass Spezialisten mit diesem Hintergrund im westlichen Mainstream so gut wie nie zu Wort kommen. Man kann ihre im Ton zurückhaltenden jedoch sachlich fundierten Analysen in verschiedenen alternativen Medien regelmäßig finden.
Fazit
Wir haben gesehen, dass Quellen von Kriegsparteien mit höchster Vorsicht zu konsultieren sind und Geheimdienste regelmässig lügen und somit auch keine verlässlichen Quellen sind.
Sich ein verlässliches Bild zu machen ist äusserst zeitaufwendig, da man eine Vielzahl von Quellen konsultieren muss, um sich ein eigenes Bild zu schaffen.
Absolute Sicherheit gibt es bei der Kriegsberichterstattung nie.
10 Kommentare zu „Verlässliche Quellen für die Kriegsberichterstattung“