Schweiz komplett im Abseits – Neutralität ruiniert
Vollmundige Ankündigungen von Bundesrat Cassis über eine Friedenskonferenz für die Ukraine – Quittung kommt – die Schweiz ist draussen – wir danken dem Bundesrat.
Peter Hänseler
Einleitung
Nach den grossen Umarmungen mit Präsident Selenski und vollmundigen Ankündigungen über eine Friedenskonferenz für die Ukraine – selbstverständlich unter kundiger Führung der Schweiz als «neutrales» Land – traf Bundesrat Cassis Aussenminister Lawrow im UNO-Gebäude in New York und verkaufte einen sehr kurzen Austausch auf den Gängen des Glaspalasts als erfolgreiches Grossereignis.
Die Antwort aus dem russischen Aussenministerium war prompt und kühl.
«Der russische Minister gab eine prinzipielle Einschätzung des fortgesetzten Abdriftens der Schweiz von den Prinzipien der Neutralität und ihrer rücksichtslosen Unterstützung für das Kiewer Regime ab und betonte, dass Russland solche Handlungen und eine unfreundliche Politik bei der Planung seines Vorgehens gegenüber der Schweizer Schiene in Betracht zieht.»
PRESS RELEASE ON FOREIGN MINISTER SERGEY LAVROV’S CONVERSATION WITH IGNAZIO CASSIS, HEAD OF THE FEDERAL DEPARTMENT OF FOREIGN AFFAIRS OF THE SWISS CONFEDERATION, NEW YORK
Über diesen Schweizer Wunschtraum haben wir in unserem Artikel «Die Friedenskonferenz Schweiz-Ukraine» ausführlich berichtet.
Wir schreiben in unserer Analyse:
«Wenn man diese Aussage durch die russische Brille betrachtet – das heisst die russische Mentalität in Betracht zieht – so kann damit gerechnet werden, dass Russland in Gesprächen mit China und anderen grossen Verbündeten sein Missfallen gegenüber der Schweiz erwähnen wird.»
VoicefromRussia – 27. Januar 2024
Und so kam es.
Kalte Schulter mit einem Lächeln serviert in Peking
Wir lassen lediglich die Headlines sprechen: NZZ:
«Bei seinem Peking-Besuch lud Ignazio Cassis die chinesische Regierung ein, an einer möglichen Friedenskonferenz für die Ukraine teilzunehmen.»
NZZ – 7. Februar 2024
Das Ergebnis entsprach unserer Prognose vom 27. Januar 2024.
«Cassis verlässt Peking mit leeren Händen.»
SRF – 7. Februar 2024
Es kam so heraus, wie wir das prognostizierten. Die Chinesen waren chinesisch-zurückhalten in Ihrer Art, der Schweiz die kalte Schulter zu zeigen.
Ohrfeige aus Moskau
Die Reaktion von Aussenminister Lawrow – er ist kein Chinese – lässt jedoch kein Raum, für Qualifikationen und Deutungen zum Positiven. Anlässlich der Nahost-Konferenz des Valdai-Clubs äusserte sich Lawrow wörtlich wie folgt:
«Bern hat eine offen russlandfeindliche Haltung eingenommen. Es genügt zu sagen, dass sie vor kurzem ein außenpolitisches Konzept verabschiedet haben, in dem es heißt, die Schweiz strebe eine Stärkung der europäischen Sicherheit nicht mit, sondern gegen Russland an. Das steht in ihren offiziellen Dokumenten. Was für eine Art von Vermittlung kann sie leisten? Jetzt versuchen sie, ihre Vermittlung in der Ukraine anderen aufzudrängen, aber es wird nichts dabei herauskommen. Diesem Akteur kann man nicht trauen.»
Aussenminister Lawrow – 13. Februar 2024
Diese Aussage ist in zweierlei Hinsicht katastrophal für die Schweiz:
Erstens, diese Aussage machte Lawrow anlässlich einer Nahost-Konferenz – es ging somit um Gaza. Damit hat Lawrow die Schweiz als Vermittler im Nahen Osten richtiggehend liquidiert.
Zweitens, wenn Ihnen ein Russe, sagt, dass Ihnen nicht zu trauen ist, so ist das ein Vorwurf, der nicht härter sein könnte. Wenn diese Worte von einem russischen Diplomaten geäussert werden, dann ist für Sie Feierabend.
Loyalität hat in Russland einen komplett anderen Stellenwert als im Westen. Russen lebten seit Generationen in einem Umfeld geprägt von Unsicherheiten und Unwägbarkeiten aufgrund von Extremen, die zu einer systemischen Unzuverlässigkeit führten. Die Folge davon war, dass Vertrauen und Loyalität einen überragenden Platz im soziologischen Gewebe dieser Gesellschaft einnahm.
Die Schweizer Aussenpolitik ist von einer beinahe nicht ertragbaren Ignoranz und Überheblichkeit geprägt, geführt von komplett inkompetenten Beamten, denen all das fehlt, was es bedürfte: Kennen des Begriffs «Neutralität», geschichtliches Verständnis, Kenntnis von anderen Mentalitäten, Intuition, Zurückhaltung und Bildung. Herr Cassis und wohl auch seine Truppe in Bern und Moskau verfügen über keine dieser notwendigen Eigenschaften.
Konsequenzen
Man muss über keine hellseherischen Fähigkeiten verfügen, um sich ausrechnen zu können, was diese Entwicklung für die Stellung der Schweiz als «neutrale» Vermittlerin hat.
China und Russland werden die Schweiz nicht mehr als Vermittlerin in irgendeinem Konflikt akzeptieren. Aufgrund des überragenden Einflusses dieser beiden Riesen auf alle Staaten im Globalen Süden und insbesondere auf die Mitglieder von BRICS+, kommt dies einem Todesurteil gleich. Ich sehe jedenfalls keine Konstellation und keinen Konflikt, in welchem die Schweiz an diesen beiden Riesen vorbeikommt und irgendeine ernsthafte Rolle einnehmen könnte. Herzlichen Dank, Herr Cassis.
Rettung möglich?
Gäbe es Umstände, die es der Schweiz erlauben würden, in der Zukunft wieder eine bedeutende Rolle als Vermittler einzunehmen?
Ein Weg zurück ist immer möglich, bedürfte jedoch klarer Massnahmen und Entscheiden: Erstens, Auswechslung jener Exekutivmitglieder, welche diese Katastrophe verursacht haben, nicht nur in Bern, sondern auch in Moskau als klare Botschaft eines Neuanfangs.
Zweitens, müsste die Schweizer Bevölkerung ein klares Zeichen setzen, dass die Schweiz gewillt ist, wieder ein neutrales Land sein. Dazu verfügt die Schweiz über ein grossartiges Instrument: Neutralitätsinitiative: Link.
Schliesslich müsste die Schweiz den Gang nach Canossa antreten und nach Moskau pilgern, um Vergebung zu erbeten: «Asche auf mein Haupt». Das tönt altmodisch und erniedrigend, hat aber bei den Russen Chancen, falls dem Gesagten dann auch Taten folgen werden.
Diesem widerspricht bis jetzt jedoch die Reaktion auf Lawrows Aussagen: Die offizielle Schweiz und die Massenmedien schweigen und gaukeln so dem Volk vor, dass alles in bester Ordnung ist. Ausnahme: Einmal mehr hat Roger Köppel mit der Weltwoche als einziger die Chuzpe, über das Todesurteil zu berichten.
Jämmerlich.
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