Peter Hänseler – Interview mit Felix Abt – Teil 1: Einblicke von einem Insider
Alles über Russland, was Sie schon immer wissen wollten, aber nicht aus den Mainstream-Medien erfahren können.
Peter Hänseler
Einführung
Ich wurde von Herrn Felix Abt, dem Herausgeber von easternangle.com, interviewt. Es war ein langes Interview und Herr Abt beschloss, es in zwei Teile aufzuteilen – das haben wir auch getan.
Interview
Felix Abt: Herr Dr. Hänseler, der Ukraine-Konflikt ist höchst umstritten und eine Partei, nämlich Russland, trägt die ganze Schuld, wenn man westlichen Politikern und Medien glauben darf. Lassen Sie uns ohne ideologische Scheuklappen einen genaueren Blick darauf werfen: Was sind die Motive für den Einmarsch Russlands in die Ukraine und was sind die Motive seiner Gegner im Ukraine-Konflikt?
Dr. Hänseler: Die Motive reichen 30 Jahre zurück. Der militärische Konflikt in der Ukraine begann weder im Februar 2022 noch im Jahr 2014; die Saat für diesen Konflikt wurde in den 1990-er Jahren gelegt.
Deutsche Einheit
Als 1990 die deutsche Wiedervereinigung ausgehandelt wurde, war die Formel klar. Die UdSSR stimmte der deutschen Vereinigung in der NATO zu, solange die NATO nicht nach Osten erweitert würde. Es gab viele Diskussionen zwischen allen beteiligten Parteien: Den Deutschen, den Russen, den Briten, den Amerikanern und den Franzosen.
So sagte der deutsche Außenminister Hans-Dietrich Genscher am 6. Februar 1990 zu seinem britischen Amtskollegen Douglas Hurd: «Die Russen müssen eine gewisse Sicherheit haben, dass, wenn zum Beispiel die polnische Regierung an einem Tag den Warschauer Pakt verlässt, sie am nächsten nicht der NATO beitritt.»
US-Außenminister James Baker versicherte den Russen mehrmals, dass eine NATO-Osterweiterung inakzeptabel sei, und brachte seine berühmte Formel «keinen Zentimeter nach Osten» an.
Viele Menschen in Russland werfen dem letzten Präsidenten der Sowjetunion Michail Gorbatschow vor, naiv gehandelt zu haben, indem er den Erklärungen der westlichen Mächte, insbesondere der Amerikaner, Glauben schenkte. Die Geschichte zeigt, dass dieser Vorwurf nicht unberechtigt war.
NATO Osterweiterung
Die Amerikaner haben ihr Wort nicht gehalten und die NATO ab 1999 erweitert – um 14 Länder: Truppen und Einrichtungen der NATO rückten 1.600 km näher an Moskau heran.
Interessanterweise gab es in den USA mehrere Stimmen, welche die jeweiligen Regierungen davor warnten, dass dieser Wortbruch letztendlich zu einem Krieg führen würde.
Bill Perry, der zwischen 1994 und 1997 als Verteidigungsminister unter Präsident Clinton diente, warnte, dass die NATO-Osterweiterung Russland in einen Krieg treiben würde.
George Kennan, einer der bedeutendsten amerikanischen Diplomaten aller Zeiten, war ein absoluter Russland-Experte. Er nannte die NATO-Osterweiterung einen «strategischen Fehler von potenziell epischem Ausmaß». In einem Interview mit der New York Times aus dem Jahr 1998 erklärte er, dass es für die NATO-Osterweiterung «überhaupt keinen Grund gab».
Aus diesen Fakten können wir schließen, dass (1) die USA eine klare Vereinbarung gebrochen haben und dass (2) führende US-Experten die NATO-Osterweiterung kritisierten und zu Recht einen militärischen Konflikt voraussahen – über 25 Jahre bevor der Krieg kinetisch wurde.
Präsident Putin – Münchner Rede
Im Jahr 2007 hielt Präsident Putin seine berühmte Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz. Er äußerte sich sehr deutlich zur NATO-Osterweiterung und zog rote Linien – leider hat ihn der Westen nicht ernst genommen.
Maidan
Nach dem Maidan-Putsch 2014 kam die Krim zu Russland – von einem Staatsstreich zu sprechen, ist faktisch keine korrekte Beschreibung der Ereignisse, sondern reine Propaganda. 96% der Einwohner/innen wollten Teil Russlands sein – das ist rechtlich schon aufgrund des Prinzips des Selbstbestimmungsrechts der Völker gerechtfertigt. Ich war vor dem Krieg auf der Krim und habe mit vielen Menschen gesprochen – nicht einer wollte, dass die Krim zur Ukraine gehört; ich habe mit jungen Leuten und Großmüttern gesprochen – nicht eine einzige Ausnahme.
Minsker Vereinbarungen
Dann kamen die Minsker Vereinbarungen, die vorsahen, dass Lugansk und Donezk bei der Ukraine bleiben, aber eine gewisse Autonomie erhalten sollten. Präsident Zelensky – ein Komiker – wurde 2019 mit großer Mehrheit gewählt, weil er dem ukrainischen Volk versprochen hatte, Frieden mit Russland und dem Donbass zu schließen und die Minsker Vereinbarungen umzusetzen. Die Menschen in der Ukraine wollten Frieden mit dem Donbass und mit den Russen.
Kurz nach seiner Wahl brach er sein Wahlversprechen und die westlichen Länder – einschließlich der ehemaligen Bundeskanzlerin Merkel – gaben 2022 zu, dass die Minsker Vereinbarungen nur deshalb geschlossen worden seien, um die Russen hinzuhalten und die Ukraine für einen Krieg gegen Russland zu bewaffnen und auszubilden.
Ukrainischer Terror gegen die Bevölkerung im Donbass
Zwischen 2014 und 2022 beschossen ukrainische Truppen den Donbass täglich – sie zielten nicht auf militärische Einrichtungen, sondern auf Zivilisten. Das Ergebnis waren etwa 16.000 Tote, darunter viele Frauen, Kinder und ältere Menschen auf dem Weg zur Schule oder zum Einkaufen. Der Westen kümmerte sich nicht darum und schaute weg.
Russische Spezialoperation – Boris Johnson verhindert Frieden
Die russische Spezialoperation diente dem einzigen Zweck, einer ukrainischen Invasion im Donbass zuvorzukommen und die Ukrainer an den Verhandlungstisch zu zwingen. Das funktionierte und im März 2022, nur wenige Wochen nach Beginn der Feindseligkeiten, war die Ukraine bereit, sich zu einigen. Dann flog Boris Johnson nach Kiew und befahl der Ukraine, was zu tun sei: Den Krieg fortsetzen.
So viel zu den Fakten.
Langfristige US-Strategie zur Schwächung Russlands
Die Beweggründe der USA sind einfach: Russland zu schwächen, um auf den Kampf gegen China vorbereitet zu sein. Das ist eine alte Strategie. Die Amerikaner verstecken ihre Absichten nicht einmal.
Der beste schriftliche Beleg ist eine Studie der Rand Corporation von 2019 mit dem Titel «Extending Russia». Auf 300 Seiten erklärt das Papier, wie die USA Russland schwächen können und sollten. Die Rand Corporation, ein amerikanischer Think Tank, verfügt über ein Jahresbudget von USD 350 Millionen. Die Rand Corporation wird vom US-Militär und Unternehmen des militärisch-industriellen Komplexes finanziert. Der Ukraine-Konflikt ist nur eines der Projekte, mit denen die USA versuchen, Russland zu schwächen.
EU-Politiker – Handlanger der US-Außenpolitik
Die Motive der EU – so hart das auch klingen mag – sind nicht nachvollziehbar. Der Konflikt mit Russland hat für die Bevölkerung und die Unternehmen der EU-Mitgliedsstaaten nur zu Entbehrungen geführt.
Leider spüren die Politiker, die eine antirussische Politik verfolgen, keine Nachteile, wenn sie in Privatjets herumfliegen, in den besten Restaurants speisen, in Palästen schlafen und im Vergleich zu ihren Untertanen horrende Gehälter beziehen. Diese Politiker sind die Handlanger des US-Imperiums und haben nicht das geringste Problem damit, ihr eigenes Volk zu verraten.
Viele Leserinnen und Leser werden jetzt vielleicht sagen, dass das nicht wahr sein kann. Aber schauen Sie selbst: Wie hat sich der Lebensstandard in der EU seit Beginn der Sanktionen entwickelt?
Geld – das Motiv von Zelensky & Co.
Das Motiv der ukrainischen Führung ist es, reich zu werden. Bevor der Westen die Ukraine zur größten Demokratie erklärte, weil sie gegen die bösen Russen kämpfte und in westlichen Städten wie Zürich (sic!) ukrainische Flaggen aufstellte, wusste jeder, dass die Ukraine – und ihr Präsident – die korrupteste Nation Europas ist. Viele investigative Medienberichte sind seit Februar 2022 bequemerweise verschwunden.
Die Ukrainer werden abgeschlachtet
Die armen Ukrainer werden von ihrer eigenen Regierung abgeschlachtet und gezwungen, einen Krieg zu führen, den sie nicht gewollt haben und den sie nicht gewinnen können. Es ist eine menschliche Katastrophe für alle Soldaten an der Front, ob sie Ukrainer oder Russen sind, macht keinen Unterschied. Colonel Douglas Mac Gregor, meiner Meinung nach einer der besten Experten in diesem Krieg, sagte vor ein paar Tagen, dass bisher etwa 500.000 Ukrainer und etwa 50.000 Russen bei diesem Massaker getötet wurden; das sind alles Söhne, Brüder und Väter von jemandem.
Felix Abt: Der kollektive Westen verhängte lange vor der Invasion Sanktionen, die Waffe des Hungers, gegen Russland, hat aber diese Eskalation des Konflikts als Gelegenheit genutzt, Russland wirtschaftlich zu strangulieren. Wie es scheint, hat das für die Sanktionierer nicht so gut funktioniert. Aber bestimmte Auswirkungen hatten sie dennoch. Wie haben sich die Sanktionen auf Russland im Allgemeinen und auf das normale, tägliche Leben der russischen Bürgerinnen und Bürger im Besonderen ausgewirkt?
Westliche Sanktionen – ein kompletter Fehlschlag
Dr. Hänseler: Die Sanktionen gegen Russland, die bereits 2014 begannen, haben sich 2022 zu einem Sanktionsgewitter entwickelt, das in der Geschichte keinen Vergleich kennt.
Sie waren eine komplette Schlappe – einen anderen Begriff kann man nicht verwenden.
Die Sanktionen von 2014 zwangen Russland dazu, landwirtschaftlich unabhängig zu werden und führten dazu, dass Russland heute der größte Agrarexporteur der Welt ist.
Die Sanktionen haben aus mehreren Gründen nicht funktioniert. Erstens ist es geradezu naiv, ein Land zu sanktionieren, das keine Nettoschulden hat und gleichzeitig der größte Rohstoffproduzent der Welt ist.
Der Westen hat den globalen Süden falsch eingeschätzt
Außerdem hat der kollektive Westen die Haltung des Globalen Südens völlig falsch eingeschätzt und war – zu meiner eigenen Überraschung – überrascht, dass alle großen Volkswirtschaften der Welt, wie China, Indien und viele andere, sich nicht an den Sanktionen beteiligten, obwohl die USA und die EU großen Druck auf diese Länder ausübten. Leider beugte sich die Schweiz, die seit langem ein neutrales Land ist und über zwei Jahrhunderte lang von diesem Status profitiert hat, innerhalb weniger Tage dem Druck der EU und der USA. Die Sanktionen zeigten nicht nur keine Wirkung, sondern machten den Ländern des Globalen Südens auch bewusst, wie gefährlich die Verwendung des US-Dollar ist, als die USA die Auslandsguthaben der russischen Zentralbank illegal einfroren.
Die Macht der BRICS als Ergebnis des Diebstahls russischer Vermögenswerte wird zum Untergang des US-Dollar führen
Die Folgen dieser beispiellosen illegalen Aktionen des kollektiven Westens sind jetzt zu sehen: Organisationen wie die BRICS, die SCO und die EEU handeln untereinander nicht mehr mit dem US-Dollar, sondern verwenden ihre eigenen Währungen, um weniger US-Dollar zu halten und sich vor möglichen US-Sanktionen zu schützen.
BRICS Gipfeltreffen 2023
Auf dem BRICS-Gipfel 2023, der vom 22. bis 24. August in Durban, Südafrika, stattfand, wurde zum Abschluss des Gipfels bekannt gegeben, dass die Organisation, die bisher fünf Mitglieder – Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika – zählte, sechs weitere Mitglieder aufnehmen wird: Saudi-Arabien, Iran, die Vereinigten Arabischen Emirate, Argentinien, Ägypten und Äthiopien – und dass viele weitere Länder später beitreten werden, deren Beitrittsprozess bereits im Gange ist.
Allein mit dieser Erweiterung werden die beiden größten Ölproduzenten (Saudi-Arabien und Russland) sowie die beiden größten Erdgasproduzenten (Russland und Iran) zu den Mitgliedern der BRICS gehören. Das ist eine unglaubliche Machtkonzentration über Energierohstoffe und wird von den BRICS auch ausgenutzt werden – daran gibt es keinen Zweifel.
Ungeachtet dieser Fakten blickt die westliche Presse immer noch auf diese Organisation herab und ist offensichtlich nicht in der Lage, die geopolitische Machtverschiebung zu erkennen, die sich direkt vor unseren Augen abspielt.
Es ist gut möglich, dass die BRICS+-Länder, die bereits jetzt den US-Dollar nach Möglichkeit vermeiden, bald ein auf Gold basierendes Handelsabrechnungssystem einführen werden. Unser Blog hat mehrere ausführliche Artikel über BRICS & Co. und die möglichen Folgen für den globalen Süden und den kollektiven Westen veröffentlicht.
Auswirkungen der westlichen Sanktionen auf das tägliche Leben in Russland
Nun zu den Auswirkungen der westlichen Sanktionen vor Ort in Russland. Ich lebe in Moskau und als die Sanktionen begannen, dauerte es in Russland einige Wochen – und bei einigen Luxusgütern wie dem iPhone sogar einige Monate – bis sich alles wieder normalisierte.
Grundnahrungsmittel waren nie ein Thema. Alle Waren, die aufgrund der Sanktionen nicht mehr direkt nach Russland eingeführt werden, finden ihren Weg über andere Länder wie Kasachstan, Armenien, Indien, China, Dubai usw.
So sind zum Beispiel die Preise für iPhones unmittelbar nach den Sanktionen um über 250% in die Höhe geschossen. Heute sind die Preise wieder auf einem normalen Niveau. Ich habe mich vor ein paar Wochen vergewissert, dass das neueste iPhone in Russland für den gleichen Preis wie in der Schweiz zu haben ist.
Alle westlichen Produzenten und Lieferanten müssen sich – aus politischen oder rechtlichen Gründen – an die Sanktionen halten. Allerdings exportieren die westlichen Unternehmen ihre Produkte jetzt auf anderen Wegen und sind sich der Tatsache bewusst, dass sie den russischen Markt weiterhin beliefern. Wenn das Handelsvolumen eines westlichen Unternehmens z.B. in Kasachstan um 350% ansteigt, ist es offensichtlich, dass diese Produkte indirekt nach Russland geliefert werden – die betreffenden Unternehmen sind sich dessen bewusst und freuen sich darüber, denn für sie sind die Umsätze auf dem russischen Markt nicht verschwunden, sondern lediglich in eine andere Zeile in der Rechnungslegung verschoben worden.
Heute hat ein Moskauer Hypermarkt, der die Mittelschicht beliefert, eine größere Markenvielfalt als in der Schweiz – kaum zu glauben, aber wahr.
Felix Abt: Sanktionen sind ein häufig genutztes Instrument Washingtons und seiner «Koalition der Willigen», um Chaos, Unzufriedenheit und Regimewechsel in einem Land herbeizuführen. Das Ziel des Westens ist es, Russland als billige Rohstoffquelle auszubeuten. BlackRock, der größte Vermögensbesitzer der Welt, ist dabei, sich große Teile der Ukraine anzueignen, und auch Russland wäre ein besonders wertvolles Gut. Präsident Putin steht ihnen im Weg und ist dem Westen schon lange ein Dorn im Auge und ein Ziel von Regimewechselversuchen, weil er unabhängig ist und eine echte «Russland zuerst»-Politik verfolgt. Neben wirtschaftlichen Zwangsmaßnahmen werden auch Informationskriege und Psyops gegen ihn geführt. Jeder, der westliche Medien konsumiert, erkennt das sofort. Was sind die Erfolge und Misserfolge von Wladimir Putin und wie stabil sind das russische Präsidentenamt und das derzeitige Regierungssystem?
Russland vor Putin
Dr. Hänseler: Ich kenne Russland seit 1997. Damals boomten die Geschäfte der Oligarchen, aber nur ein sehr kleiner Teil der Bevölkerung hatte ein menschenwürdiges Leben – die große Mehrheit der russischen Bevölkerung lebte viel schlechter als noch unter dem kommunistischen Regime. Nichts funktionierte, die sozialen Strukturen des kommunistischen Systems waren zerbrochen und die riesigen Reichtümer der russischen Industrie wurden von einer sehr kleinen Zahl von Oligarchen ausgeweidet, die sich die Reichtümer des russischen Rohstoffgeschäfts für symbolische Beträge aneigneten, finanziert von amerikanischen Investmentbanken.
1998 Kollaps
Es überrascht nicht, dass dieses System im August 1998 vollständig zusammenbrach, der Rubel wertlos wurde und diese Krise Russland an den Rand des totalen Zusammenbruchs brachte. Nur der Mentalität des russischen Volkes ist es zu verdanken, dass kein Bürgerkrieg ausbrach und die Menschen – zu meinem eigenen Erstaunen – nicht rebellierten.
Die Regierungszeit von Präsident Putin begann im Jahr 2000.
Wer ist Wladimir Putin?
Präsident Putin war im Westen kaum bekannt. Er hat in St. Petersburg Jura studiert und einen Doktortitel in Wirtschaftswissenschaften erworben. Er spricht einwandfrei Deutsch und kann sogar simultan übersetzen. Er ist ein ehemaliger KGB-Mann mit einer hervorragenden Ausbildung, er ist ein großartiger Organisator und stellt Loyalität über alles. Er war – ganz im Gegensatz zu vielen Exekutivpolitikern im Westen – sehr gut darauf vorbereitet, eine so gewaltige Verantwortung zu übernehmen.
Ein schwieriger Start für Putin – Keine politische Macht für die Oligarchen
Wladimir Putin hätte keinen schwierigeren Start haben können, und niemand im Westen glaubte, dass Russland wieder aufstehen würde.
Präsident Putin nahm die Arbeit auf und rief die Oligarchen zu sich. Er forderte sie auf, sich aus der Politik herauszuhalten, und bot ihnen im Gegenzug an, ihr sauer verdientes Geld zu behalten, falls sie einwilligten. Seine Position war schwach, zu schwach, um das Geld der Oligarchen zurückzuholen. Die meisten von ihnen fügten sich, einige verließen Russland, und Chodorkowski, der reichste, versuchte, politische Macht zu erlangen. Er scheiterte und landete im Gefängnis.
Der Lebensstandard steigt
Die Verbesserung des Lebensstandards in Russland seit dem Amtsantritt von Präsident Putin kann nur als überwältigend bezeichnet werden. Man sollte Menschen nach den Ergebnissen beurteilen, die sie erzielen. Das hat man mir schon früh in meiner Karriere beigebracht und so beurteilt auch das russische Volk seinen Präsidenten. Seine Zustimmungsrate liegt bei etwa 80%. Das ist unglaublich und die Menschen im Westen – einschließlich der westlichen Politiker – betrachten dies entweder mit Skepsis oder Neid. Doch wenn man sich die Versprechungen westlicher Politiker anhört und ihre Ergebnisse betrachtet, sind sie regelmäßig gleich null. Putins Zustimmungsrate basiert auf seiner Leistung und nicht auf einer unbegründeten «Liebe zu ihrem Führer».
Nicht alles ist perfekt
Nicht alles ist perfekt, aber das Alltagsleben, die Infrastruktur, die Effizienz im Umgang mit den Behörden bei alltäglichen Angelegenheiten ist absolut umwerfend. Ich bin Schweizer und wir scheinen in dieser Hinsicht verwöhnt zu sein, aber in Moskau funktioniert alles bestens. Moskau – ich kann nicht über ganz Russland urteilen – ist meine Lieblingsstadt zum Leben. Ich führe ein Leben in der Mittelschicht; meine Freunde gehören zur russischen Mittelschicht und haben ein gutes Leben und sind glücklich, in Moskau zu leben, so wie ich.
In den Regionen gibt es jedoch noch viel zu verbessern und die Korruption ist ein großes Problem in Russland. Das ist aber kein russisches Problem, sondern ein Phänomen, das automatisch auftritt, wenn Menschen mit Geld in Berührung kommen und die Möglichkeit haben, zu stehlen. Ist es in den USA besser? – Sicherlich nicht – schauen Sie einfach mal hin.
So viel zu den Erfolgen von Präsident Putin für die Normalbürger.
Präsident Putins Außenpolitik
Auch seine Außenpolitik gegenüber dem Westen ist ein Erfolg. In den 90er Jahren wurde Russland im Westen nicht mehr respektiert. Präsident Putin änderte das drastisch, indem er die riesige Schuldenlast abzahlte, die hohen Staatseinnahmen aus den Rohstoffexporten nicht verschwendete und die russische Armee wieder aufbaute, was – wie sich jetzt zeigt – eine sehr gute Entscheidung war. Laut Colonel Mac Gregor ist die russische Armee heute konkurrenzlos gut.
Präsident Putin sah die geopolitischen Probleme voraus, die 2022 in einem kinetischen Krieg gipfelten, und er war es, der Russland auf einen langen Konflikt vorbereitete. Für einen aufmerksamen Beobachter ist es offensichtlich, dass Russland die Möglichkeit eines totalen Krieges mit der NATO sehr wohl einkalkuliert. Russland ist vorbereitet – die NATO ist es nicht.
Präsident Putins außenpolitisches Versagen liegt wahrscheinlich in der Geduld, die er mit den Amerikanern hatte, weil er zu lange gewartet hatte, bevor er sich der NATO-Osterweiterung zu einem früheren Zeitpunkt entschiedener entgegenstellte. Dieses Thema wird unter den eher konservativen Denkern in Russland diskutiert. Meiner Meinung nach ist es auch ein Beweis dafür, dass Putin alles versucht hat, um einen kinetischen Krieg zu vermeiden und damit genau das Gegenteil von dem ist, als das er im Westen beschrieben wird: Ein Kriegstreiber.
Was die innerrussische Politik angeht, muss noch viel erreicht werden. Das riesige Land wartet vielerorts noch auf weitere Verbesserungen. Diese Tatsache als Versagen zu bezeichnen, ist jedoch fragwürdig, denn Präsident Putin musste seine Prioritäten setzen, weil nicht alles gleichzeitig getan werden konnte. Die Geschichte wird zeigen, wie gut er seine Sache gemacht hat.
Felix Abt: Westliche Politiker und Medien dämonisieren Präsident Putin völlig. Die «Informationen» über ihn sind geradezu karikaturhaft lächerlich. Erzählen Sie uns mehr über den wahren Wladimir Putin und was die russischen Bürgerinnen und Bürger über ihn denken.
Respekt
Dr. Hänseler: Das russische Volk respektiert Präsident Putin für das, was er erreicht hat, und dafür, wie gutmütig er in seiner Außenpolitik agiert hat – zusammen mit seinem verblüffend klugen Außenminister, Sergej Lawrow. Stolz ist in Russland nicht zu unterschätzen. Dabei geht es nicht nur um den wirtschaftlichen Erfolg für den einfachen Mann. Die Russen sind stolz auf ihr Land und ihre großartige Kultur und wollen, dass ihr Mutterland international respektiert wird. Auch im Hinblick auf dieses sehr wichtige Thema hat Präsident Putin geliefert.
Russen sind Skeptiker
Um die Haltung des russischen Volkes zu verstehen, muss man sich einer sehr wichtigen Geisteshaltung der Russen bewusst sein: Sie sind Skeptiker. Die Russen unterscheiden sich in ihrer Mentalität stark von z.B. den Amerikanern, die (naiv) davon überzeugt sind, dass ihr Land das großartigste der Welt ist, dass sie die Klügsten sind und ihr Präsident ein Superheld ist.
Folglich lieben die Russen ihr Mutterland mit Patriotismus und nicht mit Nationalismus und sie respektieren ihren Präsidenten, aber Liebe wäre das falsche Wort. Die große Mehrheit glaubt, dass Putin im Interesse Russlands handelt und Ergebnisse erzielt – das ist der Grund, warum er respektiert wird. Vergleichen Sie einfach: Handelt z.B. die aktuelle deutsche Regierung im Interesse Deutschlands und bringt sie Ergebnisse für ihr Volk? Man muss kein Raketenwissenschaftler sein, um herauszufinden, warum Präsident Putin eine so hohe Zustimmungsrate hat und die deutsche Regierung nicht.
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Fortsetzung folgt
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