Israel – vom Opfer zum Täter zum Opfer – ein Hin und Her seit 80 Jahren – Teil 5

Wie der Vertrag von Oslo zu Hamas und Hisbollah führen musste.

Peter Hänseler / René Zittlau

Einleitung

In Teil 1 (1914-1948) unserer Serie über die Geschichte Israels beleuchteten wir die Zeit bis zur Staatsgründung. Eine Phase der illegalen und legalen Landnahme, in deren Ergebnis der Staat Israel einseitig, im Widerspruch zur UNO-Resolution 181 und gegen den Willen der arabischen Staaten gegründet wurde. Krieg vom ersten Tag an war die Folge.

Teil 2 (1948-1956) endete mit der Suez-Krise. Im Ergebnis dieses zweiten Krieges verlor Grossbritannien seine beherrschende Stellung in Nahost. Israel orientierte sich seither in allen Fragen an den USA. Ein weiteres Ergebnis war die Stationierung von UNO-Truppen an der Grenze zwischen Israel und Ägypten.

Teil 3 (1956-1973) behandelte neben dem 6-Tage-Krieg und dem Jom Kippur Krieg ein Thema, das geopolitisch kaum Beachtung findet, wenn es um Israel geht – Israels Wasserstrategie. Das erstaunt zumindest, da Israel auch in dieser Frage äusserst konsequent und ohne Rücksicht auf die Interessen seiner Nachbarstaaten vorgeht.

Teil 4 beleuchtete den Libanon-Krieg 1982. Ein Krieg, den Israel ausserhalb seines Staatsgebietes führte mit dem Ziel, die palästinensische PLO zu vernichten. Eine palästinensische Befreiungsorganisation, dessen bewaffneter Arm in den Jahren zuvor von Israel im vorausgegangenen Jom-Kippur-Krieg aus dem Westjordanland nach Jordanien vertrieben wurde und dann nach der versuchten gewaltsamen Durchsetzung politischer Forderungen in Jordanien vom jordanischen Staat nach Libanon.

Der Teil 5 umfasst den Zeitraum von 1993 bis zur Gegenwart. Wir gehen auf die Osloer Verträgen aus jenem Jahr ein, in deren Folge die PLO in der Bedeutungslosigkeit verschwand und die Hamas immer wichtiger für die Palästinenser wurde.

Das «Palästinenserproblem» wird innenpolitisch

Einleitung

Die Konflikte zwischen Israel und den Vertretern der «palästinensischen Sache» nahmen zunehmend einen anderen Charakter und eine andere Intensität an. Waren die Opponenten Israels bis zum Jom-Kippur-Krieg arabische Staaten, so standen der israelischen Besatzungsmacht nun verschiedenste palästinensische Bewegungen gegenüber. Die zunächst wichtigste von ihnen in der ersten Phase war die PLO unter Führung von Yassir Arafat.

Der Vertrag von Oslo 1993

Nach dem Beginn der ersten palästinensischen Intifada 1987 (Intifada bedeutet im Arabischen Aufstand) verkündete der jordanische König Hussein am 31. Juli 1988 den Verzicht seines Landes auf das Westjordanland und Ostjerusalem. Daraufhin stimmte die Führung der PLO am 15. November 1988 für die Gründung eines palästinensischen Staates mit Jerusalem als Hauptstadt; ungeachtet dessen, dass diese Gebiete – Gaza und Westjordanland – unter vollständiger israelischer Kontrolle standen.

Der PLO gegenüber stand unter anderem die Hamas. Die Gründung und Etablierung dieser Bewegung 1988 im Gaza-Streifen hatte Israel im Stillen entscheidend befördert. Ziel war die Schaffung eines kontrollierbaren Gegengewichts zur seinerzeit erfolgreichen PLO, um somit die Palästinenser im israelischen Sinne beeinflussen zu können. Teile und herrsche auf Israelisch.

Im April 1989 wurde Yassir Arafat vom Palästinensischen Nationalrat zum Präsidenten des palästinensischen Staates ausgerufen, ohne dass dieser Staat auch geschaffen wurde. Eine politische Geste ohne Wirkung.

Im September 1993 einigte sich die PLO mit Israel unter Vermittlung der USA in Oslo auf ein vorläufiges Friedensabkommen mit dem Titel «Israel-PLO-Abkommen», im Deutschen bekannt unter der Bezeichnung «Prinzipienerklärung über eine vorübergehende Selbstverwaltung“, die Geburtsstunde der sogenannten palästinensischen Selbstverwaltung im Westjordanland und dem Gaza-Streifen. In diesem Vertrag erkannte die PLO das Existenzrecht Israels an. Für Israel ein ungemein wichtiger Schritt. Eine gleichzeitige Anerkennung des Existenzrechts eines palästinensischen Staates durch Israel gab es im Gegenzug nicht.

Was es gab, war eine Erklärung, die festlegte, dass Israel Besatzungsmacht bleibt und die palästinensischen Gebiete somit de facto weiterhin kolonial verwaltet werden. Irgendwann nach einer Übergangszeit von drei Jahren sollten zwischen Israel und den palästinensischen Behörden Verhandlungen über den endgültigen Status der palästinensischen Selbstverwaltung aufgenommen werden.

Dem Abkommen von 1993 wurde immer wieder eine grosse, gar bahnbrechende politische Bedeutung zugeschrieben, dem es inhaltlich und auf Grund der realpolitischen Gegebenheiten nie gerecht werden konnte.

Die PLO konnte zu jener Zeit schon nicht mehr für sich in Anspruch nehmen, die einzige oder wenigstens die führende Interessenvertretung der Palästinenser zu sein. Israel und die USA verkauften die Anerkennung des Existenzrechts Israels in der Osloer Erklärung jedoch als Anerkennung Israels durch die Palästinenser insgesamt, was der Realität nicht im Ansatz entsprach.

Israel suchte in dem Abkommen mit der PLO insbesondere ein Gegengewicht zur Hamas, die immer stärker wurde. Der Geist, den Israel mit der Gründung der Hamas einst selbst aus der Flasche gelassen hatte, liess sich nicht mehr steuern.

Allein eine tatsächliche Gründung eines souveränen Staates Palästina hätte die Basis für eine künftig friedvolle Koexistenz von Israel und Palästinensern sein können. So blieb es in der Konsequenz bei dem ausschliesslich für Israel politisch vorteilhaften Vertragswerk, was auch seine umgehende völkerrechtliche Anerkennung durch das israelische Parlament erklärt.

Oslo und das Westjordanland – auch eine Frage des Wassers

Für Israel war vor allem anderen sein Einfluss auf das Westjordanland von grundlegender Bedeutung. Die folgenden Karten zeigen die Folgen des Oslo-Abkommens für das laut Vertag von Oslo von der palästinensischen Autonomiebehörde verwaltete Territorium. Es ist keine Übertreibung, dabei von purem und brutalem israelischem Kolonialismus und Apartheid zu sprechen.

Quelle: Palästina-Portal

Die palästinensische Kontrolle des Westjordanlandes erstreckte sich auf insgesamt 18 Prozent des Territoriums («Gebiet A»). Dieser Wert bezieht sich auf den Stand von 1999. Anfangs, d.h. 1993, umfasste das ausschliesslich von den palästinensischen Behörden kontrollierte Territorium ganze drei Prozent.

Von palästinensischen Behörden und Israel gemeinsam kontrolliert wurden 22 Prozent des Territoriums («Gebiet B»).

Israel allein kontrollierte satte 60 Prozent eines Territoriums («Gebiet C»), von dem es feierlich in Oslo verkündet hatte, es werde die Heimstatt der Palästinenser sein. Dazu muss man wissen, dass im Jahre 1993 im Westjordanland insgesamt 136.109 Israelis lebten. Vergleichbare Zahlen zu Palästinensern weist Statista nicht aus, für 1995 wird jedoch eine Gesamtbevölkerung für Palästina (also inklusive des Gaza-Streifens) von 2,62 Millionen angegeben.

Hinzu kommt, dass für im Westjordanland lebende Menschen unterschiedliche Rechtsvorschriften gelten. Für Israelis gilt das israelische Zivilrecht, für Palästinenser das deutlich restriktivere israelische Militärrecht, was Letztere zu Bürgern zweiter, wenn nicht gar dritter Klasse macht.

Diese von Israel kontrollierten 60 Prozent werden im Osten durch den Fluss Jordan begrenzt und stellen die fruchtbarsten Gebiete des Westjordanlandes dar. Die Kontrolle Israels über den Zugang zum Jordan schnitt die Palästinenser komplett von dieser strategischen Wasserquelle ab.

Israel erkennt zwar im Oslo-Abkommen die palästinensischen Wasserrechte grundsätzlich an, allerdings sollen diese abschliessend erst bei den Verhandlungen über den permanenten Status der Gebiete verhandelt werden. Für Israel eine sehr bequeme «Lösung» palästinensischer Wasserrechte, da sie die Israelis nichts kostet und die abschliessende Regelung jederzeit verhindert werden kann und bis heute auch wurde.

Die israelischen Behörden gewähren den eigenen Bürgern, also den «richtigen» Israelis, man kann es nicht anders beschreiben, grosszügig Zugang zu Wasserressourcen. Palästinensern gegenüber werden derartige Rechte äusserst restriktiv gehandhabt.

Der Zugang zu frischem Wasser gilt nach UN-Resolution 6492 vom 28. Juli 2010 als Menschenrecht. Bei der Abstimmung enthielt sich Israel der Stimme.

Durch die Kontrolle des Grenzgebiets zu Jordanien durch Israel wurde das Westjordanland zu einem israelischen Binnengebiet. Die palästinensische «Autonomie»-Behörde haben somit keinerlei Kontrolle über irgendeine Aussengrenze.

Zwischenergebnis

Die PLO verlor infolge dieser verheerenden Politik beinahe jegliches Ansehen unter den Palästinensern, welches die Hamas zunehmend gewann. In der Folge wurde die palästinensische Autonomiebehörde zu einem schwachen und willfährigen Anhängsel israelischer Politik, woran sich bis heute nichts geändert hat.

Der Libanon-Krieg 2006

Die Hisbollah

Eine besondere Stellung in den Kriegen, die Israel zur Aufrechterhaltung seiner Dominanz im Nahen Osten führte, nimmt der Krieg von 2006 gegen die Hisbollah ein. Er dauerte vom 12. Juli bis zum 14. August.

Die Hisbollah ist ein Zusammenschluss islamisch-schiitischer Gruppen im Libanon. Sie entstand ab 1982 als Resultat der Vertreibungen aus Palästina nach Libanon. Zunächst eine paramilitärische Organisation für den Widerstand gegen israelische Invasionen, gründete sie sich offiziell 1985 im Libanon. Sie wird bis heute massgeblich vom Iran unterstützt, dessen Revolutionsführer als oberste geistliche Autorität angesehen wird.

Die Hisbollah gliedert sich in einen militärischen und politischen Zweig. Letzterer ist seit 1992 in der libanesischen Nationalversammlung vertreten. Die Hisbollah insgesamt besitzt als militärische, politische und nicht zuletzt auch soziale Bewegung im Libanon inzwischen einen derart umfassenden Einfluss, dass ohne sie im Land nichts geht.

Kriegsverlauf – verheerend für Israel

Im Juli 2006 kam es zu einer Entführung von zwei israelischen Soldaten durch die Hisbollah.

Die Umstände der Entführung waren unklar; die Aktion, die dazu führte, ereignete sich jedoch nach allem, was bekannt wurde, auf dem Territorium Libanons. Die israelischen Soldaten befanden sich also auf fremdem Territorium. Dennoch nahm Israel das Geschehen zum Anlass für eine umfassende Invasion des Landes.

«Doch es lief nicht wie erwartet für Israels Militär.»

Es bedarf nicht umfassender militärischer Erfahrungen, um zu der Erkenntnis zu gelangen, dass eine grossangelegte Invasion nicht innerhalb von Stunden oder Tagen vorbereitet werden kann. Das ist logistisch unmöglich. Fakt ist, am 12. Juli 2006 – also nur wenige Tage nach der Entführung – griffen die israelischen Streitkräfte massiv libanesisches Territorium an – aus der Luft, auf dem Boden, von See her. Dies war keine Reaktion auf die Entführung, sondern eine von langer Hand vorbereitete Militäraktion.

Quelle: tayyar.org.

Doch es lief nicht wie erwartet für Israels Militär.

Nachdem zu Beginn der Invasion als Ziel die Zerstörung der Hisbollah als Machtfaktor erklärt worden war, sprach man bereits nach wenigen Tagen der Kämpfe nur noch davon, die Hisbollah von Israel fernhalten zu wollen. Die Hisbollah hatte jedoch nicht vor, Israel anzugreifen.

Die USA, die kurz zuvor noch einen Waffenstillstand mit der Hisbollah rundweg ablehnten, schickten eilig Aussenministerin Condoleeza Rice in das Konfliktgebiet, um einen solchen auszuhandeln.  

Ergebnis des Libanon-Krieges 2006

Der Kriegsverlauf 2006 im Libanon war für Israel ein Schock. Alle bisherigen Nahost-Kriege beendete Israel innerhalb weniger Tage siegreich, begleitet von Friedensangeboten ihrer Opponenten.

Im Gegensatz zu den bisherigen Gegnern, die eine geringe Kampfmoral aufwiesen, zeigte sich die Hisbollah von einer ganz anderen Seite. Die Gründe sind nicht überraschend.

Die Hisbollah wurde von unten aufgebaut, als Reaktion auf die seit 1982 bestehende Besatzung durch israelische Streitkräfte. Die Kämpfer der Hisbollah hatten nichts zu verlieren. Dazu verfügten sie über effiziente Waffensysteme, die den Israelis erhebliche Probleme bereiteten.

Der Libanon-Krieg 2006 war für Israel nicht zu gewinnen. Mehr noch, er nahm Israel nicht nur den Mythos der Unbesiegbarkeit; sein Verlauf und das Ergebnis hat für Israel angesichts der vorab erklärten Ziele viel mehr von einer Niederlage als für die Hisbollah.

2007 bis 2023 – der Aufstieg der Hamas

Die Hamas schlägt den Westen mit seinen Waffen – freie Wahlen und Demokratie

Ende der 1980-er Jahre wurde die Hamas in Gaza gegründet. Im Westen gilt sie gemeinhin als Ableger der Muslimbruderschaft. Israel förderte sie verdeckt, da sie Israel als Gegengewicht zu anderen Palästinenserorganisationen galt.  

„Da nicht sein kann, was nicht sein darf, wurden die Palästinensergebiete ökonomisch komplett abgeriegelt“

Die Oslo-Verträge und ihre negativen Folgen für die Palästinenser führten zu einem Schub für die Hamas. Im Jahre 2006 fanden in den autonomen Gebieten Palästinas – also im Westjordanland und im Gaza-Streifen – Wahlen statt, organisiert von Israel, den USA und Grossbritannien.

Die Wahlen wurden nach westlichen Standards und unter strenger Beobachtung seitens dieser Staaten und des Westens insgesamt durchgeführt. Das Ergebnis war ein bis heute anhaltender Schock: Die islamische Hamas gewann diese vom Westen nach westlichen Standards organisierte Parlamentswahl auf völlig legalem Wege und ohne einen Hauch von Zweifel am Ergebnis, und das haushoch. Eine Situation, auf die das politische Israel, ja der Westen insgesamt in keiner Weise vorbereitet war.

Quelle: Konrad-Adenauer-Stiftung

Israel reagierte darauf ebenfalls nach westlichen Standards, wenn Wahlen unerwünschte Ergebnisse zeitigen: Da nicht sein kann, was nicht sein darf, wurden die Palästinensergebiete ökonomisch komplett abgeriegelt. Der freie Personenverkehr zwischen Gaza und dem Westjordanland wurde praktisch unterbunden.

Bei Lichte betrachtet war genau das der Beginn aller militärischen Auseinandersetzungen rund um Gaza und somit auch des Gaza-Krieges 2023. Der Beginn einer sich fortan ständig weiter verschärfenden Situation. Israel versuchte eine in ihrem Kern selbst nach westlichen Regeln demokratische Entwicklung zu stoppen, die es selbst gemeinsam vor allem mit den USA Jahre zuvor initiiert hatte.

Die Unbeugsamkeit der Hamas gegen jedweden israelischen Druck stärkte ihre Glaubwürdigkeit in der Bevölkerung ungemein. Seither ist die Hamas im Gaza-Streifen die mit Abstand wichtigste politische Kraft. Die im Westjordanland weiter und unter Missachtung des Wahlergebnisses von 2006 regierende Autonomiebehörde unter Führung der Fatah wurde endgültig zu einem Anhängsel der israelischen Kolonialverwaltung.

2007 erlangte die Hamas nach internen Kämpfen mit der israelfreundlicheren Fatah-Bewegung auch die absolute Kontrolle über den Gazastreifen, die sie seither auch nicht mehr abgab. Israel reagierte erneut „westlich“ restriktiv mit einer massiven Einschränkung des Personen- und Warenverkehrs.

Wohl nach dem Vorbild der Hisbollah im Libanon entwickelte die Hamas neben dem politischen Zweig einen militärischen – die Al-Kassam-Brigaden – und definierte sich mehr und mehr als Befreiungsbewegung für Palästina. Als solche ist sie heute in weiten Teilen der Welt auch anerkannt – ausgenommen die Länder des sogenannten kollektiven Westens

Ist Hamas eine Terrororganisation?

Endlose Kämpfe mit vielen Toten auf palästinensischer Seite

Ohne Zweifel haben die Ereignisse im und um den Gaza-Streifen eine innere Logik. Sie zeigen, wozu erniedrigende Lebensumstände zwangsläufig führen müssen. Im Gazastreifen gibt es keine Industrie, keine ökonomische Basis für stabile Einkommen und somit für ein menschenwürdiges Leben. Arbeitsmöglichkeiten gibt es praktisch nur in Israel. Massenarbeitslosigkeit führt zu Armut.

Ein explosives Gemisch, das überall auf der Welt Menschen aufstehen lässt.

Die westlichen Kommentatoren schreiben über die Gewalt in Gaza von wohlklimatisierten Büro aus, ohne auf die tatsächlichen Umständen Bezug zu nehmen, unter welchen die Palästinenser Leben müssen. Im Westen gehen wir für Nichtigkeiten auf die Strasse und werfen Steine gegen die Polizei. Zustände wie am 1. Mai in vielen Städten Westeuropas gibt es in Gaza nicht. In den besetzten Gebieten schiessen israelische Soldaten seit Jahren auf 12-jährige, die mit Steinen auf sie werfen.

Immer wieder gab es Angriffe aus dem Gazastreifen auf Israel. Immer wieder auch massive Militäraktionen durch Israel gegen Gaza, so 2008-2009 und 2014. Die Opferzahlen gingen auf palästinensischer Seite jeweils in die Tausende, auf israelischer Seite hielten sie sich im zweistelligen Bereich – insgesamt. 

Charta einer Befreiungsbewegung – nicht einer Terrororganisation

Im Jahre 2017 gab sich die Hamas eine neue Charta. Sprach die Charta von 1988 Israel noch das Existenzrecht ab, so ist davon in der aktuellen Version keine Rede mehr. Vielmehr handelt es sich um ein Dokument, das inhaltlich an die UNO-Resolution 181 von 1947 anschliesst; die Resolution, auf die sich Israel bei der Ausrufung seiner Staatlichkeit berief.

Im Westen ist es gang und gäbe, Parteien und Organisationen nach ihren Grundsatzdokumentationen, wie Parteiprogramme, Statuten oder Chartas, zu beurteilen. Dieses Recht spricht man der Hamas ab.

Mit keinem Wort wird das jüdische Volk in der Charta als Feind bezeichnet und mit keinem Wort wird Hass gegen die Israelis geschürt. Alles was die Hamas erreichen möchte – und dies zu Recht – ist die Schaffung eines Palästinenserstaates. Auch die Hamas möchte – wie Israel – keine Zweistaatenlösung. Im Gegensatz zur bis heute gelebten Realität des Staates Israels, befürwortet die Hamas ein Zusammenleben aller Religionen. Der Führer der Hamas sagte denn auch gegenüber dem ehemaligen britischen Spitzendiplomaten Alistair Crook persönlich, dass die Hamas keineswegs eine religiöse Organisation sei, sondern eine Befreiungsorganisation, welcher jeder Unterstützer beitreten könne ganz gleich welcher Konfession er angehöre.

Nicht überraschend reagieren die westlichen Medien und Politiker und verteufeln die Hamas mit übelster Propaganda und offensichtlichen Lügen, die belegen, dass die Damen Herren der Medien sich nicht einmal die Mühe gemacht haben, die Hamas Charta zu lesen. Dazu mehr in unserem Artikel «ARD – Glossar rechtfertigt Genozid – Dr. Goebbels wäre stolz».

Die israelische Regierung – demokratisch gewählt. Aber auch demokratisch verfasst?

Die wiederholte grosse Härte des israelischen Vorgehens – eine unmenschliche Härte, die sich ganz bewusst vor allem anderen gegen die Zivilbevölkerung richtet – war einerseits ein offenkundiger Beleg der Hilflosigkeit der israelischen Führung gegenüber dem Phänomen Hamas. Auf der anderen Seite entsprach dieses Vorgehen den immer stärker in der israelischen Führung Fuss fassenden zionistischen Ansichten der Schaffung eines Grossisraels „from the river to the sea“. 

Im israelischen Kabinett gibt es inzwischen keine gemässigten Kräfte mehr. Das Handeln der Regierung kann man nicht anders als radikal bezeichnen. Der Ministerpräsident Netanjahu selbst muss bei einer Beendigung des Krieges mit seiner Verurteilung wegen verschiedener Korruptionsdelikte und dem versuchten rechtswidrigen Umbau des Justizapparates Israels rechnen. Woher soll bei ihm ein Interesse an der Beendigung des Krieges kommen?

Sein Finanzminister Bezalel Smotrich beschrieb sich in einem Interview mit dem israelischen öffentlich-rechtlichen Sender Kan wie folgt: „Ich bin ein homophober Faschist, aber ich stehe zu meinem Wort.»

Als Finanzminister ist Smotrich auch zuständig für Siedlungsfragen in den besetzten palästinensischen Gebieten. Vor seinem Amtsantritt äusserte er sich über die Palästinenser in diesen Gebieten so: Sie mögen gehen oder als minderwertige Minderheit ohne Wahlrecht bleiben.

Wie kann ein Palästinenser einer solchen israelischen Regierung trauen? Wie kann die Welt den Aussagen einer solchen Regierung trauen? Was sagt die uneingeschränkte Unterstützung dieser Regierung über die Unterstützer aus?

Fazit

Expansion durch Krieg und Gewalt

In unserer Serie zeigten wir ein Israel, das es in den Mainstreammedien des Westens nicht gibt.

Es ist ein Fakt, dass Israel seit seiner Gründung territorial auf Kosten seiner Nachbarn expandiert. Es vergrösserte sein Territorium bis 1967 um die Westbank, Gaza, den Sinai (bis 1973) und die Golanhöhen – durch Kriege, legale und illegale Landnahmen und eine damit verbundene Vertreibung von Millionen Einheimischer.

Koloniale Besatzungsmacht

Mit dieser gewaltsamen territorialen Ausdehnung über die von der UNO mit der Resolution 181 zugestandenen Grenzen wurde Israel völkerrechtlich zu einer Besatzungsmacht.

Die nichtjüdische Bevölkerung, welche nicht vertrieben, ermordet wurde oder floh, fand sich als Menschen zweiter Klasse auf dem ehemals eigenen Grund und Boden wieder.

Wikipedia definiert Kolonialismus als Inbesitznahme auswärtiger Territorien und die Unterwerfung, Vertreibung und Ermordung der ansässigen Bevölkerung.

Apartheidsstaat

Amnesty International bezeichnete 2022 in einem Bericht Israel als Apartheitsstaat. Das mag nicht jeden beeindrucken, da Amnesty International Negativqualifikationen regelmässig sehr breit auslegt.

Viel aussagekräftiger in diesem Zusammenhang sind Aussagen israelischer Organisationen wie etwa die der Menschenrechtsorganisation B´Tselem, welche sich wörtlich wie folgt äusserte:

“Israel’s regime of apartheid and occupation is inextricably bound up in human rights violations.”

In deutscher Übersetzung:

«Das israelische Apartheid- und Besatzungsregime ist untrennbar mit Menschenrechtsverletzungen verbunden.»

Über die Rechtswidrigkeit der südafrikanischen Apartheidsvariante herrschte weltweit Einigkeit. Es wird somit mit zwei Ellen gemessen – wie so oft.

Ghettoisierung

Israel sperrt den Zugang zu den besetzten Gebieten nach Belieben, von Freizügigkeit kann keine Rede sein. Israel bestimmt, was dort erlaubt ist oder nicht, egal ob es sich um medizinische Versorgung, um Grundversorgung mit Nahrungsmitteln, oder um Wasserrechte handelt.

Ein menschenwürdiges Leben für die nichtjüdische Bevölkerung ist in den besetzten Gebieten nicht möglich. Die UNO beschreibt laut einem Bericht der FAZ bereits am 12. Juli 2017 den Gazastreifen als unbewohnbar. 

Guantanamo

In israelischen Gefängnissen sitzen Tausende nichtjüdische Einwohner der besetzten Gebiete, darunter viele Kinder. Ohne Anklage, ohne Gerichtsurteil. Das sind Zustände wie in Guantanamo. Der Gefangenenaustausch der letzten Tage zwischen Hamas und Israel machte das für alle Welt erneut sichtbar, was sicher auch eines der damit verfolgten Ziele der Hamas gewesen sein dürfte.

Alleinverantwortlichkeit Israels

Ein Staat, der über staatsfremdes Gebiet die absolute Kontrolle ausübt, ist infolge dieser Macht für alles verantwortlich, was in diesen staatsfremden und besetzten Gebieten geschieht. Der Besatzer kann sich nicht freisprechen von irgendeiner Gewalt, die er gegen andere ausübt oder die gegen ihn ausgeübt wird. Es spielt dabei auch keine Rolle, welcher Nation oder Religion die unterdrückte Bevölkerung angehört. Denn der Besatzer herrscht per se illegal auf fremdem Gebiet. Somit sind sämtliche seiner erlassenen Regeln ebenfalls illegal, da ohne Rechtsgrund.

Recht auf Aufstand

Es ist weltweit ein natürliches Recht der Besetzten, sich als Unterdrückte gegen fremde Gewalt auf eigenem Grund und Boden zu wehren.

Eine Besatzungsmacht hingegen hat kein Recht auf Selbstverteidigung gegen die Besetzten, wie das Israel aktuell massiv für sich in Anspruch nimmt und vom politischen Westen und den Mainstreammedien unhinterfragt und uneingeschränkt unterstützt wird und zwar mit höchst unappetitlichen Mitteln, wie wir diese Woche bereits in «ARD – Glossar rechtfertigt Genozid – Dr. Goebbels wäre stolz» ausgeführt haben.

Im nächsten Teil behandeln wir die Ereignisse seit dem 7. Oktober 2023 im Grenzgebiet von Israel, in Gaza und auch im Westjordanland.

Diese sind nur dann zu verstehen, wenn man die Bedingungen, die dazu führten, unvoreingenommen bewertet, was unser Anliegen ist.  

Israel – vom Opfer zum Täter zum Opfer – ein Hin und Her seit 80 Jahren – Teil 5

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