Grosse ukrainische Gegenoffensive

Was ist mit der grossen Gegenoffensive, mit Terror und der Berichterstattung?

Peter Hänseler

Quelle: Military Summary

Einleitung

Seit Oktober kündigen die Ukrainer die grosse Gegenoffensive an. Aus einer Winteroffensive wurde eine Frühlingsoffensive und jetzt ist Sommer, und keiner weiss so richtig, ob die Offensive nun begonnen hat oder nicht.

Dies hat auch mit der ständig sich ändernden Berichterstattung im Westen zu tun, die sich nicht an Fakten hält, sondern das Narrativ nur ganz allmählich an die nicht mehr zu unterdrückenden Fakten anpasst. 

Fall Bachmut – Narrativ des Westens ändert sich

Bachmut – heute Artjomowsk – wurde im letzten Oktober von westlichen Medien als wichtigste Infrastrukturstelle an der Front dargestellt. Als Symbol des Sieges, als das ukrainische Stalingrad, das zumindest eine Vorentscheidung des Krieges bringen würde, journalistisch sorgfältig zurechtgemacht von den westlichen Medien. 

Vor dem amerikanischen Kongress übergab Präsident Zelensky im Dezember eine aus Bachmut stammende Flagge als Zeichen des Sieges in  den kommenden Schlachten. 

Die Stimmung in Washington war siegesbewusst: Man kannte den Freund, man kannte den Feind und man war sich des Sieges der Guten sicher: Der freien Welt unter der Führerschaft der Vereinigten Staaten. 

Es kam anders – Bachmut fiel. Und nun stellten die westlichen Medien diese Stadt lediglich als Symbol ohne militärischen Nutzen dar, an der sich der russische Bär sinnloserweise viele Monate abgearbeitet hatte.  

Die verheerende Qualität der Kriegsberichterstattung

Dass die Medien und Politiker im Westen derart falsch liegen, ist kein Einzelfall, sondern die Regel. 

«Sind westliche Journalisten dumm wie Brot?»

Der Untergang Russlands wird seit dem letzten Frühling mit Begeisterung herbeigeschrieben. Erinnern Sie sich, als im Frühling 2022 die westlichen Medien unisono verkündeten, den Russen gehe bis im Mai die Munition aus, in Russland breche ein Bürgerkrieg aus, die Sanktionen zwängen Russland in die Knie, Putin liege im Sterben, die Ukraine sei die neue Schweiz?

Ukraine ist die neue Schweiz! – Ukrainische Beflaggung von Zürich

Nicht eine dieser grossmäuligen Prognosen erfüllte sich. Jetzt kann man sich fragen, ob westliche Journalisten dumm sind wie Brot. 

VoicefromRussia hat sich mehrmals mit der verheerenden Berichterstattung im Westen auseinandergesetzt. Etwa im Artikel «Verlässliche Quellen für die Kriegsberichterstattung», «Pitoyable Berichterstattung über den Ukrainekonflikt» oder als wir uns die Mühe nahmen, die Berichterstattung der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) anhand eines Leitartikels ihres Chefredaktors Eric Gujer genau unter die Lupe zu nehmen und ihn als Propagandisten entlarvten, «Wehret den Anfängen! – Propaganda der NZZ»

Liest und analysiert man diese Artikel genau, so sieht man, dass die betreffenden Journalisten alles andere als dumm sind. Sie verkaufen einfach Geschichten, welche mit Halbwahrheiten durchsetzt sind und damit um so wirksamer in ihrer propagandistischen Wirkung: Honorarschreiber.

Die NZZ, welche sich über Jahrhunderte eine grosse Glaubwürdigkeit bei der hochgebildeten Schicht im deutschsprachigen Raum erarbeitet hat, missbraucht heute diese Stellung für tendenziösen Journalismus, oft genug die Grenze zur Unwahrheit überschreitend. Das ist äusserst unappetitlich und wird die NZZ über kurz oder lang ihren Ruf kosten, spätestens dann, wenn der breiteren Leserschaft bewusst wird, dass diese renommierte Zeitung vorsätzlich falsche Fakten publiziert hat und sich somit gemein machte mit bestimmten politischen Kreisen.

Es scheint so – unsere steigende Leserzahl ist ein Indikator dafür – dass es immer mehr Menschen gibt, welche den grossen Zeitungen nicht mehr trauen, da die Berichterstattung eine Welt beschreibt, die mit der individuellen Wahrnehmung und objektiven Realität immer weniger zu tun hat. 

Erste Meldungen der Gegenoffensive

Seit ein paar Tagen greifen die Ukrainer an verschiedenen Stellen an. 

Folgt man den verlässlichen Medien, so sieht es so aus, dass die Ukrainer nicht in der Lage sind, ihre Vorstösse zu etablieren. Es heisst, dass jeder Vorstoss innert 24 Stunden von den Russen neutralisiert wird und die Verluste der Ukrainer jenseits aller Vorstellung seien. An einem Abschnitt an der Saparosher Front sollen innert zwei Tagen über 3’500 Ukrainer gefallen sein, ohne irgendetwas erreicht zu haben. 

Ebenfalls wurde berichtet, dass die ersten Leopard 2 Panzer zum Einsatz kamen und Verluste auch unter ihnen zu beklagen seien. 

Eine Artillerievorbereitung fand Quellen zufolge nicht statt, man liess die Soldaten einfach ins Messer laufen. In keinem Abschnitt gelang es den Ukrainern an die ersten Verteidigungslinien der Russen zu gelangen.

Ob die Ukrainer ihre Gegenoffensive verstärken können, ist schwer zu beurteilen. Die ersten paar Tage brachten keine nennenswerten Erfolge, dafür jedoch enorme Verluste. 

Terror

Wenn eine Kriegspartei rein zivile Ziele angreift, ohne einen militärischen Vorteil zu erlangen oder anzustreben, so ist dies als Terrorismus zu qualifizieren. Entsprechend ordnen die Russen die ukrainischen Raketenangriffe auf zivile Ziele ohne jeglichen militärischen Wert ein, wie sie in den letzten Tagen immer wieder durchgeführt wurden.

Der Beschuss dieser Ziele – reine Wohngebiete und soziale Einrichtungen – hat keinerlei militärische Bedeutung und dient nur der Befriedigung von Hassgefühlen eines terroristischen Regimes sowie der Verbreitung von Angst und Schrecken unter der russischen Bevölkerung. 

Es sterben Kindergärtnerinnen, alte Frauen beim Einkauf, Schüler, Mütter und junge Väter, sinnlos durch gezielten Artilleriebeschuss auf Einkaufsstrassen und Wohngebiete. Dies betrifft neben Donezk, wo seit 2014 ca. 20’000 Zivilisten umkamen – nun auch Städte und Siedlungen im bisherigen russischen Kernland.  

Diese Strategie wurde in der Geschichte wiederholt angewandt und hat dennoch nie die erwarteten Resultate gebracht. Während des Zweiten Weltkriegs bombardierten die Deutschen englische Wohnquartiere und die Briten löschten danach gemeinsam mit den Amerikanern die meisten Grossstädte in Deutschland aus, wobei sie Industrieanlagen mit amerikanischen Interessen großzügig schonten. 

Dieser Terror, der lediglich dazu diente die Wehrkraft der Zivilbevölkerung zu unterlaufen, erreichte während des 2. Weltkriegs nicht seine Ziele und wird auch im Jahres 2023 die Reihen hinter der russischen Führung schließen. 

Die Strategie der Russen

Schaut man sich die militärischen Erfolge der Russen objektiv an, so ist es Ihnen gelungen, etwas mehr als 20% der Fläche der Ukraine zu erobern und – viel wichtiger – zu halten. 

20% der Fläche klingt bescheiden; allerdings sind diese vier durch Volksabstimmung einverleibten Regionen das ökonomische Filetstück der Ukraine – sie sind mehr wert als die übrigen 80% zusammen.

Die im Westen hochgefeierten Eroberungen Charkows und Saparosche scheinen tatsächlich taktische Rückzüge der Russen gewesen zu sein. 

Der Verlauf der gegenwärtigen Front ist vorteilhaft für die Russen und sie waren seit den immer lauter gewordenen Ankündigungen über eine grosse Gegenoffensive seit Herbst letzten Jahres nicht untätig.

Die Befestigungen auf der Landbrücke sind seit Oktober laufend verbessert worden – die Zeit spielt einmal mehr für die Russen – und bis jetzt wurden diese Verteidigungslinien durch die Gegenoffensive noch nicht einmal geprüft worden.

Die Russen denken sehr langfristig. In ihrer Planung wird sicherlich nicht nur die Ukraine als Gegner berücksichtigt, sondern die gesamte NATO. 

In Rumänien und Polen befinden sich zehntausende NATO-Truppen; das ist eine Tatsache. Die Russen wären grobfahrlässig, diese Kräfte nicht in ihre Strategie einzubinden. 

Im Resultat dessen, wurde der grosse Teil der russischen Armee bis jetzt gar nicht zum Einsatz gebracht. Die grossen Kämpfe werden von der Wagner Gruppe und von Tschetschenischen Spezialtruppen ausgeführt: So schon in Mariupol und in Artjomowsk (früher Bachmut). 

Die Russen stellen sich demnach auf einen sehr langen Konflikt ein – möglicherweise einen Krieg mit der Nato. 

Langsam, aber sicher – Zeitfaktor

Die Russen gehen sehr langsam vor – warum?

Das hat verschiedene Gründe. Die wichtigsten reichen sehr weit zurück – es sind die Lehren, welche Russland aus dem Zweiten Weltkrieg gezogen hat, das Wissen um die ungeheuren eigenen Verluste im ersten Jahr. Die Sowjetunion verlor zwischen Juni und Dezember 1941 ca. 4,5 Millionen Soldaten. Praktisch die ganze Armee. 

Das hatte verschiedenste Gründe, auf die wir hier nicht eingehen, aber unkoordinierte Sturmangriffe, schlechte Logistik und einfach mit hurra in den Kampf ziehen, das machen die Russen ganz sicher nicht mehr. Das russische Volk würde keinen solchen Krieg akzeptieren. In Russland stehen im kommenden Jahr Präsidentschaftswahlen an, Herr Putin muss wieder gewählt werden und das weiss er.

Die Verlustzahlen der Russen geben ihnen Recht. Weiter kommt dazu, dass die russische militärisch-operative Herangehensweise schon seit Jahrhunderten bestimmte Faktoren völlig anders in ihren Überlegungen gewichtet, als es ihre jeweiligen Gegner taten und nach wie vor tun.  Während die Ukraine ihren Unterstützern in Washington, Brüssel und anderswo kurzfristig Erfolge präsentieren muss, um die finanzielle und militärische Unterstützung zu erhalten, nutzt Russland die Zeit als Bestandteil der Strategie

Systematisch

Die Russen begannen erst im zweiten Abschnitt – ab Herbst – mit der systematischen Bombardierung der Infrastruktur (Strom), Waffendepots, Führungsbunker etc. 

Seit der Ankündigung der Grossoffensive wurden Dutzende von Stützpunkten der jeweiligen Bataillone mit Präzisionsschlägen ausgeschaltet, ebenso Treibstofflager. 

Dies ist der erste grosse Landkrieg seit dem Zweiten Weltkrieg mit ungeahnten technischen Überwachungsmöglichkeiten auf beiden Seiten. Truppen unbemerkt zu massieren, um einen Schlag vorzubereiten, ist schwierig bis unmöglich. 

Was ist das Ziel der Russen?

Die Russen sind jederzeit bereit, Friedensgespräche zu führen. Diesen stehen jedoch nicht nur die ukrainischen Vorbedingungen entgegen. Die Ukraine ist nur für Friedensgespräche zu haben, wenn die Russen alle vier Regionen und die Krim zurückgeben. Das wird nicht passieren.

Darüber hinaus erließ die Ukraine sogar Gesetze, die verbieten, mit der russischen Führung überhaupt zu verhandeln

Somit wird der Krieg andauern und ich gehe davon aus, dass die Russen weiter nach Westen vorstossen und alle russischstämmigen Gebiete erobern werden, inklusive Odessa und Charkow. 

Dabei haben die Russen kühl betrachtet nur Vorteile. Erstens, Russland hat inzwischen fünf bis sieben Mal mehr Einwohner – die Ukraine soll heute nur noch etwas über 20 Millionen Einwohner haben; im Februar 2022 waren es ca. 38-40 Millionen –  und die Ukrainer verlieren zwischen drei und sieben Mal mehr Soldaten. Zweitens, Russland kann offensichtlich diesen Konflikt lange durchstehen, da es finanziell stark ist und die Verluste in Menschen und Material problemlos ersetzen können. 

Wie geht es weiter?

Es wird wohl vom Westen abhängen, d.h. von den USA, wann dieser Konflikt zu Ende geht. 

«Leider hat sich auch die Schweiz als Vermittlerin aus dem Rennen genommen»

Die Amerikaner wissen meines Erachtens bereits jetzt, dass die Ukrainer diesen Krieg trotz der riesigen finanziellen und militärischen Unterstützungen nicht gewinnen können. Das ergibt sich allein schon aus den Pentagon Papers 2.0, über die wir berichtet haben

Ein Obsiegen der Russen wäre nicht nur eine weitere aussenpolitische Schlappe für die Amerikaner, sondern wohl das Ende der NATO – mit all den sich daraus ergebenden negativen Folgen, ganz besonders für die USA. Dies ist mit ein Grund, warum die USA diesen Krieg, bei dem sie keine Soldaten verlieren, weiterführen.

Meines Erachtens werden die Amerikaner nicht lockerlassen, um Russland nachhaltig zu schwächen, was bis jetzt weder wirtschaftlich noch militärisch gelungen ist. Mit Besorgnis schaue ich auf Serbien und Moldawien, wo die Amerikaner bereits damit begonnen haben, neue Krisen zu entfachen. 

Dies alles deutet auf einen sehr langen Konflikt hin und es ist schwer zu beurteilen, wie lange es dauern wird, bis die Europäer das – meines Erachtens durchsichtige Spiel der USA – durchschauen. 

Deutschland, die stärkste Kraft in Europa, wäre wohl in der Lage, das Ruder herumzureissen. Aber, die gegenwärtige Regierung hat sich mit den Hasstiraden gegen Russland dermassen verrannt, dass es wohl eine neue Regierung in Berlin bedarf, bis das geschehen kann. Wie lange das dauern wird, ist für mich unmöglich zu beurteilen und hängt nicht so sehr vom Kriegsverlauf, sondern von der wirtschaftlichen Situation dieses grossartigen Industrielandes ab, das gegenwärtig mit viel Energie der Ampelregierung ins Verderben geprügelt wird.

Leider hat sich auch die Schweiz als Vermittlerin aus dem Rennen genommen und wird nach der Aufgabe der Neutralität als Vermittlerin nicht mehr in Frage kommen.

Grosse ukrainische Gegenoffensive

21 Kommentare zu „Grosse ukrainische Gegenoffensive

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