Angelsächsische geopolitische Strategie – unverändert seit 120 Jahren
Die Schriften der Geopolitiker Mackinder (1904) und Brzesinski (1997) zeigen, dass sich die blutige geopolitische Strategie der Engländer und USA in keiner Weise verändert hat. – Ein neuer Autor stellt sich vor.
Karl Eckstein
Kurze Einführung von Peter Hänseler
Wir sind hocherfreut, unseren Lesern einen neuen, sehr erfahrenen und kompetenten Autor vorstellen zu dürfen. Prof. Dr. iur. Karl Eckstein und ich kennen uns seit Jahrzehnten. Der Schweizer Rechtsanwalt, welcher westliche Firmen in Russland und Usbekistan bei ihrer Ansiedlung berät, kennt Russland seit den Achtzigerjahren. Als ehemaliger Honorarkonsul der Russischen Föderation in der Schweiz und Professor für Verfassungsrecht an der Moskauer Staatsuniversität für internationale Beziehungen verfügt er nicht nur über ein riesiges Wissen über Russland, sondern weit über dessen Grenzen hinaus.
An unseren zahlreichen Treffen in den letzten Jahrzehnten tauschten wir uns äusserst aktiv aus – nicht immer die gleichen Meinungen vertretend. Viele seiner Prognosen trafen ein, auch unerfreuliche wie die heutige Situation zeigt. Ich habe ihn mehrmals angefragt, ob er für uns schreiben würde. Nun hat er es getan: Ein hochinteressanter, brisanter und kompakter Artikel, welcher augenöffnend ist und die Geschehnisse der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft als keine Überraschungen mehr erscheinen lassen.
Sir Halford Mackinder – 1904
Der britische Geograph und Geopolitiker Sir Halford Mackinder (1871-1947), Lehrer an der Universität Oxford und erster Rektor der London School of Economics, stellte in verschiedenen Schriften seine «Heartland-Theorie» vor. Zuerst 1904 in seinem Artikel «Der geographische Dreh- und Angelpunkt der Geschichte». 1919 in seinem Werk «Democratic Ideals and Reality» konkretisierte Mackinder seine Aussagen noch. Wir haben einen Link bei der ETH Zürich gefunden – das Buch ist mehr denn lesenswert.
Mackinder hielt folgendes fest: Grossbritannien sei die grösste und stärkste Seemacht der Welt. Da der internationale Handel vorwiegend über den Seeweg stattfinde, könne Grossbritannien praktisch jedes Land der Welt in die Knie zwingen, indem man es mit einer Seeblockade isoliere.
Diese goldenen Zeiten gingen jedoch langsam, aber sicher zu Ende. Das Automobil sei erfunden worden und es würden Strassen gebaut, wo Transporte über den Landweg organisiert werden könnten. Ebenso würden Eisenbahnlinien von Wladiwostok bis nach Lissabon gebaut. In Zukunft würden die Länder über unsere Seeblockade nur noch lachen. Da der Handel also ohne unsere Kontrolle beliebig stattfinden könne, sei Grossbritannien einer grossen Gefahr ausgesetzt.
Seine Gedanken können folgendermassen zusammengefasst werden:
Osteuropa, verstanden als der europäische Teil des zaristischen Russlands, also auch der heutigen Ukraine.
Heart Land (dt. Herzland) mit dem europäischen Russland und Sibirien bis zum Sinkiang
Die Weltinsel, umfassend Europa, Asien und Afrika.
Die küstennahen Inseln vor Kontinentaleuropa und Südostasien (Japan) und die küstenfernen Inseln mit Nord- und Südamerika sowie Australien und Neuseeland).
Die berühmteste Aussage Mackinders fasst seine Theorien in vier Sätzen zusammen. Diese Aussage publizierte er in seinem Buch «Democratic Ideals and Reality» aus dem Jahre 1919.
«Wer über Osteuropa herrscht, beherrscht das Herzland.
Wer über das Herzland herrscht, beherrscht die Weltinsel.
Wer über die Weltinsel herrscht, beherrscht die Welt.»
DEMOCRATIC IDEALS AND REALITY, S. 106
Zbigniev Brzesinski
Der berühmteste und einflussreichste geopolitische Nachfolger von Mackinder war Zbigniev Brzesinski (1928 – 2017).
Diente neun US-Präsidenten
Brzeziński war Berater aller neun US-Präsidenten von 1963 bis zu seinem Tode im Jahre 2017.
Begonnen hatte er seine Karriere 1960 als Wahlkampfberater von John F Kennedy. Geboren wurde Brzesinski 1928 in Warschau als Sohn eines polnischen Diplomaten, der dem polnischen Adel angehörte und aus der früher polnischen Stadt Brzezany in der heutigen Ukraine stammte.
Ein Buch, das die Seele der US-Aussenpolitik offenlegt
Im Jahre 1997 veröffentlichte er ein Buch, in welchem er in erstaunlicher Offenheit und Klarheit die Ziele der US-amerikanischen Geostrategie darstellte:
«The Grand Chessboard: American Primacy and Its Geostrategic Imperatives», was in der deutschen Fassung so betitelt ist: «Die einzige Weltmacht: Amerikas Strategie der Vorherrschaft». Darin sagt er im Wesentlichen dasselbe wie einst Halford Mackinder.
Wie Mackinder ist Brzesinski der Meinung, dass eine eurasische Gemeinschaft – im Wesentlichen also die Verbindung von Westeuropa mit Russland – der US-amerikanischen Vorherrschaft gefährlich werden könnte.
Es dürfe kein neues eurasisches Imperium entstehen, welches Amerika an der
Verwirklichung seines geostrategischen Ziels hindern könnte, diesen Raum selbst zu beherrschen.
Hier komme der Ukraine eine besondere Bedeutung zu:
„Ohne die Ukraine ist Russland kein eurasisches Reich mehr. Es kann trotzdem nach einem imperialen Status streben, würde aber dann ein vorwiegend asiatisches Reich werden, das aller Wahrscheinlichkeit nach in lähmende Konflikte mit den aufbegehrenden Staaten Zentralasiens hineingezogen würde, die den Verlust ihrer erst kürzlich erlangten Eigenstaatlichkeit nicht hinnehmen und von den anderen islamischen Staaten im Süden Unterstützung erhalten würden.“
Zbigniew Brzeziński
Brzesinski sah schon 1997 für das Jahrzehnt zwischen 2005 und 2015 eine sukzessive Eingliederung der Ukraine in das US-amerikanische Konzept vor. Das Gelingen dieser Eingliederung ist für ihn ein Schlüsselpunkt für die weitere Vormachtstellung der USA.
Sollte dies nicht gelingen, so würde Russland eine kontrollierende eurasische Grossmacht werden – und wie gesagt, damit der USA die Stellung als Hegemon verunmöglichten.
Damit wird auch klar, wieso der Ukraine Konflikt für die Angelsachsen und deren Vasallen so wichtig ist, dass sie hunderte von Milliarden in diesen investieren. Für die Angelsachsen unter Führung der USA ist ein Erfolg Russlands in diesem Konflikt lebensbedrohlich: ihre weltweite Vormachtstellung wäre nach Brzesinski bedroht.
George Friedman
Die angelsächsische Geostrategie, begonnen vom Briten Mackinder im Jahre 1904, im gleichen Sinne weiterentwickelt vom US-Amerikaner Brzesinski, starb mit Brzesinski nicht. Sie wird im gleichen Sinne vom aktuellen US-Geostrategen George Friedmann weitergeführt.
Eine Kernaussage Friedmans lautet wie folgt:
«Das primäre Interesse der Vereinigten Staaten durch das letzte Jahrhundert hindurch – also im Ersten, Zweiten und im kalten Krieg– sind die Beziehungen zwischen Deutschland und Russland gewesen, denn vereinigt wären diese beiden die einzige Macht, die uns bedrohen könnte – und daher ist sicherzustellen, dass das nicht passiert.»
George Friedmann
Fazit
Somit ist es ein Fakt, dass die angelsächsische, d.h. die britische und danach auch die amerikanische Geopolitik, von der gleichen Idee geleitet wird, um die Weltherrschaft zu erhalten. Verhinderung eines Zusammenkommens Russlands und Deutschlands.
Dieser Strategie folgend ist es somit folgerichtig, Deutschland zu schwächen falls man Russland nicht in die Knie zwingen kann. Dies ist bereits dadurch geschehen, dass man Sanktionen erlässt, welche vor allem Deutschland schwächt und Gaspipelines zerstört, um die Energieversorgung durch Russland zu verhindern.
Auch die Ukrainekrieg ist ebenfalls ledigllich ein Baustein der amerikanischen Geopolitik, um, das zu verhindern, was Mackinder in seinem berühmten Vers festhielt.
«Wer über Osteuropa herrscht, beherrscht die Welt»
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