Inspector Columbo ermittelt gegen Putin
Warum Russland kein Interesse hatte, die Nord-Stream-Pipelines zu zerstören
Peter Hänseler
Dieser Artikel erschien am 30. September 2022 in der Weltwoche
Liest man die westliche Presse, sind die Meinungen bereits gemacht: Russland muss es gewesen sein, das die Pipelines gesprengt hat. Die Russen seien die Einzigen – neben den Amerikanern –, die so etwas realisieren könnten. Amerika kann es, gemäss Presse, nicht gewesen sein
Cui bono? Wem nützt’s?
Wenn man nach einem Verbrechen nicht weiss, wer als Täter in Frage kommt, geht die Polizei bei einem Verbrechen wie folgt vor: Wer hatte ein Motiv?
Auf die Geopolitik übersetzt: Wer hatte ein Interesse?
Als Ersten würde Kommissar Columbo wohl Herrn Putin einvernehmen, da alle mit dem Finger auf ihn zeigen.
Herr Putin würde aussagen: Ich habe kein Motiv. Allein für Nord Stream 2 habe ich über 12 Milliarden US-Dollar ausgegeben. Beide Nord-Stream-Pipelines bringen mir ein Heidengeld, wenn sie denn offen sind. Ich kontrolliere den Gashahn; um kein Gas zu liefern, müsste ich ihn nur zudrehen, nicht gleich die Pipelines zerstören.
Die Pipelines sind mein Ass im Ärmel in zukünftigen Verhandlungen mit Deutschland. Die EU und allen voran die Bundesrepublik sind in einer mehr als schwierigen Situation.
Viele in Deutschland – auch Parlamentsabgeordnete – wollten bereits mit mir sprechen, um eine Einigung oder eine Teileinigung zu erreichen.
Nun änderte sich aber die Ausgangslage: Öffne ich jetzt den Gashahn, kommt am anderen Ende nichts heraus.
Kurz: Das Ass im Ärmel wurde mir entrissen.
Die Deutschen werden jetzt – zu Recht – sagen: Das, was wir von Herrn Putin wollten, kann er nicht mehr liefern.
Kommissar Columbo schreibt alles auf.
Beim Rausgehen denkt er sich: Macht Sinn, was Herr Putin aussagte.
Wenn der nicht total durchgeknallt ist und seine eigenen Vorteile zerstört, kann ich ihn als Täter ausschliessen.