Endspiel im Kampf der Währungen
Die westlichen Notenbanken zerstören durch hemmungsloses Gelddrucken das Währungssystem. Was kommt nach dem Niedergang des Dollars? Bitcoin, Gold?
Peter Hänseler
Dieser Artikel erschien am 16. Juni 2022 in der Weltwoche
Es ächzt im Gebälk des weltweiten Finanzsystems. Wohin geht die Reise? Die geopolitischen Spannungen treffen auf Verschuldung und Inflation, die Politik des Westens scheint den Fokus verloren zu haben, und Gesprächs-Verweigerung macht sich breit. Die finanzielle Basis, auf der unsere Welt heute steht, ist am Wanken und scheint in dieser Form nicht überlebensfähig zu sein; die Hurra-Rufe der Finanzexperten werden leiser, und viele Investoren lecken sich die Wunden. Das Ungemach begann 1971, als das Bretton-Woods- System der festen Wechselkurse durch die USA ausgehebelt wurde.
Seither leben wir auf der Basis des Papierstandards, des sogenannten Fiat-Geldes, bei dem die Währungen mit nichts unterlegt sind als mit Vertrauen – das am Verschwinden ist. Ein Blick zurück zeigt, dass es nicht das erste Mal ist, dass Geldsysteme zusammenbrechen. In den letzten 600 Jahren übergab das jeweils herrschende Imperium nach etwa 80 bis 120 Jahren den Schlüssel zum Privileg der dominierenden Reservewährung dem Nachfolger. Zurzeit halten die USA diesen Schlüssel in der Hand. Wie alle Vorgänger werden sich die Amerikaner mit Händen und Füssen dagegen wehren, ihre exorbitanten Privilegien zu verlieren. Das ist nachvollziehbar und menschlich.
Die Geschichte belegt jedoch, dass damit das Ergebnis nicht zu beeinflussen ist. Die Zielsetzung des Ostens ist eine multipolare Welt bezüglich Reservewährungen, während der Westen, unter Führung der USA, das heutige System und die Macht behalten will, koste es die Bürger, was es wolle.
Im Jahr 2008 tobte die grosse Finanzkrise, und heute sind sich die Experten einig, dass der Grund dafür in der zu hohen Verschuldung lag. Damals bot sich eine Chance, mit den grossen Exponenten aus West und Ost an einen Tisch zu sitzen und das System auf eine neue, gesunde Grundlage zu stellen. Das hätte allerdings eine Rosskur bedeutet – wie etwa die Zinserhöhung des amerikanischen Notenbank-Präsidenten Paul Volcker in den 1980er Jahren. 2008 wollte man aber nicht eine Rosskur, sondern einen Spa-Besuch für die Verantwortlichen. Banken wurden von Zentralbanken refinanziert, auf Kosten der Steuerzahler. Heute nun ist die geopolitische Situation im Gegensatz zu 2008 so angespannt, dass es fraglich ist, ob sich Ost und West zusammenraufen können, um eine globale Lösung zu erarbeiten.
Welche Weiterentwicklungen der Währungsordnung wären denkbar? Hier ein Blick auf drei der verschiedenen Lösungen, die zurzeit diskutiert werden: erstens Bitcoin, zweitens Central Bank Digital Currency (CBDC), also digitales Zentralbankgeld, drittens Gold.
1. Bitcoin, die grösste der über 18.000 bestehenden Krypto- Währungen, wird vor allem von jüngeren Menschen propagiert. Die besten Argumente für Bitcoin sind, dass er dezentral erzeugt wird, anonym ist und vor dem Zugriff der Staaten schützt. Dass die maximale Menge auf 21 Millionen Bitcoin begrenzt ist, verhindert eine Expansion des Angebots wie bei heutigen Währungen. Daher wird er zum Teil als eine Art Gold der Zukunft gesehen. Dass etliche frühe Anleger märchenhaft reich wurden, verleiht ihm zudem Sex- Appeal.
Neben der extremen Volatilität, die sich gerade jetzt in turbulenten Finanzmärkten zeigt, besteht die grösste Gefahr für Bitcoin darin, dass Zentralbanken und Staaten alles daransetzen werden, die Macht über ihr Geld nicht zu verlieren. Erinnert sei an das Zitat von Mayer Amschel Rothschild (1744–1812), dem Gründer der grossen Dynastie: «Gib mir die Kontrolle über das Geld einer Nation, und es interessiert mich nicht, wer dessen Gesetze macht.» Janet Yellen, die US-Finanzministerin und frühere Notenbankchefin, würde das selbstverständlich nie zugeben. Sie formuliert es so, dass digitale Währungen reguliert werden müssten, zumal Krytpos wie Bitcoin aufgrund der Anonymität den Missbrauch durch Kriminelle ermöglichten. Ich erachte diese Argumentation als unehrlich; Geldwäsche hat auch unter dem heutigen System eine richtige Blütezeit.
2. Digitales Zentralbankgeld, Central Bank Digital Currency (CBDC), tönt auf den ersten Blick fast wie Krypto oder Bitcoin, ist aber praktisch das Gegenteil davon. Die Bürger erhielten das Geld digital direkt von der Notenbank. Dies würde dazu führen, dass die Zentralbanken jede Transaktion sehen, identifizieren und allenfalls blockieren könnten. Weiter drohte jedem Bürger, dass er mit einem Klick durch die zentrale Instanz enteignet werden könnte. CBDC wäre meiner Ansicht nach die schlechteste Lösung für die Bürger. George Orwell lässt grüssen. China und andere Länder sind an Vorbereitungsarbeiten für diese Art von Währung.
3. Gold böte ebenfalls Möglichkeiten zur Weiterentwicklung des Währungssystems. Ein Goldstandard herrschte bereits bis 1971, bis zum Zusammenbruch des Bretton-Woods-Systems. Dann wurden die Standardwerke der Makroökonomie umgeschrieben und der Goldteil dieser Lehrbücher gestrichen. Ein Relikt sei dies, nicht fortschrittlich, und überhaupt, es gebe ja nicht genug Gold, um einen Goldstandard wieder einzuführen. Das ist aus folgenden Gründen unsinnig und unehrlich: Der US-Dollar-Goldstandard unter dem Bretton-Woods-System wurde von Präsident Nixon nicht etwa abgewürgt, weil dieses System nicht fortschrittlich war, sondern aus dem einfachen Grund, dass die Amerikaner mehr Geld druckten, als sie das erforderliche Gold dazu hatten.
So kam es, dass Länder, die dem Bretton-Woods-System angehörten, dies in den 1960er Jahren merkten, ihre Währung in US-Dollar wechselten und dann bei den Amerikanern in Gold umtauschten. Der amerikanische Goldschatz schmolz von rund 22.000 auf etwa 8000 Tonnen, da zog Nixon die Reissleine. Zudem: Wenn Zentralbanken Gold als antikes Relikt bezeichnen, wirkt das nicht überzeugend. Die Zentralbanken kaufen ja Gold in grossem Stil, im Jahr 2021 über 40 Prozent mehr als 2020. Ihre Goldbestände sind heute grösser denn je in den vergangenen dreissig Jahren – nicht nur bei östlichen, sondern auch bei westlichen Notenbanken.
Offenbar wissen diese, dass es zu Änderungen kommen könnte, für die man dann Gold brauchen würde. Die offiziell publizierten Angaben zu Goldreserven sind mit Vorsicht zu geniessen. Die USA behaupten, mit 8133 Tonnen den grössten Goldschatz zu haben, vor Deutschland (3360 Tonnen), Italien (2450), Frankreich (2435), Russland (2298), China (1948) und der Schweiz (1040). Fragezeichen sind angebracht. Die USA verzichten seit 1954 darauf, ihren Goldschatz einer vollumfänglichen Revision zu unterziehen. Weiter findet man Hinweise darauf, dass Gold teilweise doppelt gezählt wird oder mit Rechten Dritter belastet ist.
Schliesslich gibt es Gründe zur Annahme, dass China und Russland zu niedrige Zahlen offenlegen. Einer der bekanntesten Goldexperten, der Amerikaner James Rickards, legt überzeugend dar, wie ein Goldstandard die Zentralbanken hindern würde, auf Teufel komm raus Geld zu drucken. Nach seiner Einschätzung würde es reichen, 40 Prozent der Geldmenge M2 – das ist das relativ flüssige Geld im Publikum – mit Gold unterlegen zu müssen. Die Geldmenge M2 der Schweizerischen Nationalbank betrug diesen April 1095 Milliarden Franken. Ihr Goldbestand wird mit 1040 Tonnen angegeben. Würde man 40 Prozent der M2-Geldmenge mit dem vorhandenen Gold unterlegen, käme man für die Schweiz auf einen Goldpreis von rund 420.000 Franken pro Kilogramm. Würde jedes Land so vorgehen und danach abgeglichen, ergäbe dies wahrscheinlich ein stabileres System als heute. Zudem würde sich die monetäre Macht gleichmässiger über die Länder verteilen. Das wäre meiner Ansicht nach ein gangbarer Weg zu einer multipolaren Währungsordnung.