Die Friedenskonferenz Schweiz-Ukraine
Das Vorpreschen der schweizerischen Bundesratsdelegation um Bundespräsidentin Amherd und Aussenminister Cassis am WEF ist nicht mehr als ein zum Scheitern verurteilter Profilierungsversuch eines «neutralen» Landes, das alles falsch macht.
Peter Hänseler
Dieser Artikel wurde am 5. Februar 2024 auf ZeroHedge.com veröffentlicht.
Einleitung
Im letzten März haben wir in unsrem Artikel «Die Schweiz ist in Gefahr» erörtert, wie und warum die Schweiz ihr grösstes Privileg erhielt, wie gross die Privilegien der Neutralität für die Schweiz sind und welche – nur positiven – Folgen dieses Privileg für die Entwicklung unseres kleines Landes hatte. Und ja, dieses Privileg haben wir den Russen zu verdanken. Auch auf die Gefahren haben wir hingewiesen. Die Schweiz scheint kopflos in eine falsche Richtung zu taumeln – verantwortlich dafür sind schwache Führer, welche Züge des Grössenwahns aufweisen. Die ihnen in der Verfassung auferlegten Pflichten scheinen sie als Empfehlungen zu verstehen, die man bis zur Unkenntlichkeit verbiegen kann.
Anlässlich des WEFs haben die Bundespräsidentin Amherd und Aussenminister Cassis eine Friedenskonferenz angekündigt, offensichtlich ohne Wissen ihrer Bundesratskollegen.
Die meisten Medien in der Schweiz finden diese Idee grossartig oder mindestens gut.
Diese Friedenskonferenz soll auf dem 10-Punkte Plan von Präsident Selenski basieren.
Das Konzept dieser Veranstaltung weist verschiedene Schwächen auf, welche dazu führen werden, dass sich die Schweiz vor der Weltöffentlichkeit blamieren wird, denn die Weltöffentlichkeit besteht nicht nur aus der EU und den USA.
Die neue neutrale Schweiz: Spontan, emotional und unprofessionell.
Rückblick
Sanktionssturm von der Schweiz vollumfänglich mitgetragen
Ein Tag nach dem Beginn der russischem Spezialoperation in der Ukraine erliess die EU am 23. Februar 2022 ein wohlvorbereitetes Sanktionspaket.
Die «neutrale» Schweiz übernahm 5 Tage später das erste Sanktionspaket der EU telquel. Seither wurde die schweizerische Sanktionsverordnung 43-mal verschärft und umfasst heute 152 Seiten.
Der zeitliche Ablauf der Sanktionsübernahmen ist nicht nur ein Indiz dafür, dass der Bundesrat die EU-Sanktionen automatisch übernimmt, sondern ein Beweis, denn ein selbständiger Entscheid würde das Lesen und eine Analyse erfordern – dafür war keine Zeit. Im FAQ der Webseite des Eidgenössischen Departement des Äusseren (EDA) wird die Schweizer Bevölkerung dennoch angelogen:
Frage:
“Übernimmt die Schweiz die Sanktionen der Europäischen Union (EU) automatisch?”
Antwort:
«Die Schweiz entscheidet selbstständig darüber, inwiefern sie sich Sanktionen der EU anschliesst; es besteht diesbezüglich kein Automatismus.»
Webseite des Staatsekretariat für wirtschaft – FAQ
Liest man die Sanktionsverordnung, so wird einem klar, was das Ziel der Sanktionen ist: Die Zerstörung der russischen Wirtschaft. Von Dieselmotoren bis zu Badeschlappen wird alles sanktioniert. Meines Erachtens wäre es um einiges einfacher gewesen, zu bezeichnen, was nicht zu sanktionieren sei.
Schweiz belegt Russland mit bedeutend mehr Sanktionen als die EU
Die Schweiz als Mitläufer der EU zu bezeichnen wäre verkürzt. Vielen Menschen in der Schweiz ist es nicht bewusst, dass die Schweiz bedeutend mehr Sanktionen gegen Russland erlassen hat als die EU – schwer zu glauben, aber es ist so.
Unfreundlicher Staat
Seit März 2022 steht die Schweiz – als neutrales Land – auf der Liste der unfreundlichen Staaten Russlands. Auf dieser Liste befinden sich bis heute 48 Staaten.
Die Konsequenzen für Länder, welche auf dieser Liste stehen sind vor allem kommerzieller Art bezüglich Handel, Import und Export, gehen jedoch nie so weit wie die gegen Russland erlassenen Sanktionen.
10-Punkte Plan Selenskis
Einleitung
Der 10-Punkte Friedensplan von Präsident Selenski kann lediglich als Wunschliste eines Menschen bezeichnet werden, welcher jeden Bezug zur Realität verloren hat. Ein link zu dieser Liste finden Sie hier.
Wir erwähnen an dieser Stelle lediglich Punkt 5 (Territoriale Integrität), Punkt 8 (Umweltschäden) und Punkt 9 (Sicherheitsgarantien), um darzulegen, dass dieser Plan zum sicheren Scheitern verurteilt ist:
Territoriale Integrität
Russland hat während Jahrzehnten für eine diplomatische Lösung eingesetzt und wäre selbst noch kurz nach Kriegsbeginn im April 2022 damit einverstanden gewesen, dass der Donbass weiter Ukrainisch bliebe, falls die Ukraine neutral bliebe. Die Friedenverhandlungen im März und April 2022, welche ein Erfolg waren und welche eine Unterschrift vom Frieden entfernt lagen, wurden in letzter Minute von Boris Johnson als Herold der USA torpediert – der Krieg ging weiter. Wir berichteten darüber.
Russland soll alle Gebiete, welche heute zu Russland gehören, die Krim, Saparosche, Cherson, Lugansk und Donezk zurückgeben: Das wird nicht passieren, da diese Gebiete heute zu Russland gehören und ein Referendum im September 2022 eine Zustimmung der Bevölkerung von weit über 90% ergab – selbst die RAND Corporation zweifelte das Ergebnis dieses Referendums nicht an.
Selbstredend wird von den westlichen Medien verschwiegen, dass der Krieg 2014 begonnen wurde und dass zwischen 2014 bis Februar 2022 über 16’000 Zivilisten durch ukrainischen Artilleriebeschuss in Donezk umgekommen sind. Die russische Armee hat zu keinem Zeitpunkt die Zivilbevölkerung während der Kampfhandlungen angegriffen – das ist eine Vorliebe der Ukrainer. Er vor ein paar Tagen starben 27 Personen in Donezk – unerwähnte Kriegsverbrechen.
Umweltschäden
Dieser Punkt bezieht sich auf die Zerstörung des Kachowka-Staudamms. Die Ukrainer behaupten die Russen hätten diesen gesprengt, es gibt jedoch klare Indizien, dass die Ukrainer dies getan haben.
Sicherheitsgarantien
Einbindung der Ukraine in die NATO. Die Nato-Osterweiterung ist das grosse Sicherheitsproblem Russlands seit den 90-ger Jahren und auch der Grund für den Ukrainekonflikt. Somit kann man ausschliessen, dass Russland eine Verbindung zur Nato akzeptieren wird.
Forderungen stehen der Realität entgegen
Die westliche Propaganda verkündete seit März 2022 den Untergang der russischen Armee. Die Realität sieht jedoch anders aus. Die Ukrainische Armee liegt am Boden, die Verluste auf ukrainischer Seite sind horrend, die Hilfe aus den USA wurde eingestellt und selbst Zwangsrekrutierungen werden die dringend benötigten 500’000 Soldaten, welche übrigens nach einer 2-wöchigen Schnellbleiche als Kanonenfutter an die Front geschickt werden, nicht aufbringen. Der Krieg ist verloren. Wir haben darüber bereits im September berichtet.
Verhandlungsbereitschaft Russlands
Anlässlich eines Interviews mit CBS News am 23. Januar in New York, wies Sergei Lawrow eine jüngste Behauptung des US-Außenministers Antony Blinken zurück, der behauptete, Moskau habe keine «Bereitschaft gezeigt, sich zu engagieren, in gutem Glauben zu verhandeln», um den Konflikt mit Kiew zu beenden.
«Das ist nicht wahr», betonte Lawrow und fügte hinzu, dass Russland immer bereit war, «jeden ernsthaften Vorschlag» zu diskutieren, der die Situation vor Ort und die Ursachen der Feindseligkeiten angeht. Moskau sei auch bereit, eine Lösung zu finden, «die die legitimen nationalen Interessen Russlands und des ukrainischen Volkes garantiert», erklärte der Diplomat.
Somit bestätigt Sergei Lawrow, dass Verhandlungen immer möglich seien, dass diese jedoch auf einer realistischen Basis gestellt werden müssen.
Bundesrat Cassis spricht von Gesprächen mit Lawrow – die Antwort ist bedrohlich
Am 23. Januar tweetete Aussenminister Ignazio Cassis aus der Uno und behauptete, dass er wichtige Angelegenheiten mit Sergei Lawrow besprochen habe.
Möglicherweise hat Herr Cassis Herrn Lawrow auf dem Gang im UNO-Gebäude die Hand geschüttelt, das Gespräch war kurz und die Antwort bündig und kühl.
Das russische Aussenministerium sagte dazu folgendes:
«Der russische Minister gab eine prinzipielle Einschätzung des fortgesetzten Abdriftens der Schweiz von den Prinzipien der Neutralität und ihrer rücksichtslosen Unterstützung für das Kiewer Regime ab und betonte, dass Russland solche Handlungen und eine unfreundliche Politik bei der Planung seines Vorgehens gegenüber der Schweizer Schiene in Betracht zieht.»
Press release on Foreign Minister Sergey Lavrov’s conversation with Ignazio Cassis, Head of the Federal Department of Foreign Affairs of the Swiss Confederation, New York
Das tönt nicht sehr freundlich. Ich bin wahrlich kein Diplomat, aber wenn mir ein Diplomat mitteilt, meine unfreundliche Politik bei der Planung seines Vorgehens in Betracht zu ziehen, so verheisst das nichts Gutes. Wenn man diese Aussage durch die russische Brille betrachtet – das heisst die russische Mentalität in Betracht zieht – so kann damit gerechnet werden, dass Russland in Gesprächen mit China und anderen grossen Verbündeten sein Missfallen gegenüber der Schweiz erwähnen wird. Damit erschöpft sich meine Fähigkeit, die möglichen Konsequenzen für die Schweiz als nicht-Diplomat diplomatisch zu verpacken.
Fazit – die Schweiz im diplomatischen Abseits
Die Schweiz hat ihre Neutralität auf mehreren Ebenen aufgegeben: Erstens, als neutrales Land verbrüdert man sich nicht mit einer Kriegspartei, innige Umarmungen mit dem Staatsoberhaupt einer Partei sind nicht nur unprofessionell, sondern zeigen Parteinahme.
Als neutrales Land lässt man nicht die Flaggen einer Kriegspartei in den Städten wehen.
Als neutrales Land ist man unparteiisch und sanktioniert nicht eine der Kriegsparteien, insbesondere macht es sich schlecht wenn die Schweiz als «neutrales» Land Russland mit bedeutend mehr Sanktionen belegt als die EU.
Hilflos und lächerlich erachte ich die Diskussion in den Schweizer Medien, inwiefern man die Neutralität relativieren könne. Es ist wie mit dem Begriff «schwanger»; es gibt zwei Aggregatszustände: Schwanger oder nicht schwanger.
Die Konsequenzen sind bereits da: Die Friedensverhandlungen im März/April 2022 fanden nicht in der Schweiz statt, sondern in der Türkei.
Auf das Sondierungsgespräch unseres Aussenministers kommt aus Russland eine Meldung, welche nur als Verweis zu bewerten ist.
Früher oder später wird es zu Verhandlungen kommen – die Schweiz wird dabei keine Rolle mehr spielen, da sie nicht mehr vertrauenswürdig ist – schade.
Es gibt Stimmen, die behaupten, dass die eingefrorenen Devisen der russischen Zentralbank bald eingezogen werden. Falls die Schweiz bei diesem Raubzug mitmacht, wird Russland reagieren – auch gegenüber der Schweiz. Wenn man davon ausgeht, dass die Schweiz ca. CHF 28 Milliarden als Investitionen in Russland hält und ca. CHF 7 Milliarden einziehen könnte, so glaube ich nicht, dass dies für die Schweiz im Eskalationsfall ein gutes Geschäft wird.
Ob die Neutralitätsinitiative diesen komplette Gau für die Schweiz noch zu retten vermag, kann ich nicht beurteilen, sondern lediglich an dieser Stelle den Link zur Verfügung stellen – schaden kann es nicht.
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