BRICS – Teil 3

Was wird jetzt passieren am grossen BRICS-Gipfel vom 22.-24. August?

Peter Hänseler

Einleitung

Nachdem wir uns in Teil 1 mit den Zahlen und Fakten und in Teil 2 mit der Historie des westlichen Geldsystems seit dem Zweiten Weltkrieg befasst haben, geht es in diesem Teil 3 darum, die bestehende Infrastruktur von BRICS kurz zu beschreiben, die Hindernisse aufgrund der heterogenen Mitglieder aufzuzeigen sowie die Möglichkeiten aufzuzeigen, die BRICS hat um vom US-Dollar wegzukommen.

Ich schreibe diesen Beitrag vor dem Gipfel und möchte keine wilden Spekulationen in die Welt setzen – da gibt es genügend andere Autoren, welche sich dem hingeben. 

Infrastruktur

Treffen der Mitglieder

Die jährlichen BRICS-Gipfel, welche mit dem ersten formellen Treffen in Yekatarinenburg im Jahre 2009 begannen, sind nur die Spitze des Eisbergs. 

Unter den Mitgliedern finden in Arbeitsgruppen ca. 190 Treffen pro Jahr statt, anlässlich deren praktisch alle Themen, welche eine Gesellschaft betreffen kann. Neben wirtschaftlichen Themen werden auch Themen wie Sport, Umwelt und Frauenthemen besprochen. Es handelt sich bei BRICS somit nicht um einen Plauderclub, wo sich die Staatschefs einmal im Jahr treffen.

New Development Bank (NDB)

Die NDB wurde im Juli 2015 von den Mitgliedern der BRICS gegründet und mit einem Kapital von USD 100 Milliarden ausgestattet (Offizielle Website).

Mit diesem Kapital ist die NDB sehr gut ausgestattet und verfügt über eine sehr grosse Kreditfähigkeit, Projekte zu finanzieren, was sie auch tut – hier sei auf die Projektwebseite der NDB verwiesen.

Somit ist die NDB eine eigentliche Kopie der westlich kontrollierten Weltbank, welche im Zuge der Bretton Woods Konferenz gegründet wurde. Die Weltbank wird vom Westen, d.h. von den Amerikanern kontrolliert. 

Contingent Reserve Arrangement

Die Contigent Reserve Arrangement (CRA), was übersetzt etwa “Vereinbarung über bedingte Reserven” heisst, ist eine Institution welcher eine denkbar schlechte Namensgebung zuteil wurde, da sie nicht eingängig ist und einer Organisation den Namen ”Arrangement” zu geben, ist sonderbar. Marketing können die Amerikaner in der Tat besser.

Diese Institution, welche von den BRICS-Staaten – allen voran China – mit ca. USD 200 Milliarden ausgestattet wurde, verfügt ebenfalls über eine grosse Kreditwürdigkeit. 

Die CRA hat den Zweck ihren Mitgliedern und zugewandten Ländern im Falle von Handelsdefiziten und für den Fall eine runs auf ihre Währungen beizustehen. Die CRA ist somit nichts anderes als eine Kopie des westlichen International Monetary Funds (IMF), einer Organisation, welche wiederum im Zuge des Bretton Woods gegründet wurde und letztendlich wiederum von den Amerikanern kontrolliert wird. 

Zwischenergebnis

BRICS ist somit infrastrukturmässig sehr gut ausgestattet und nicht irgendein Plauderclub. Man kann somit erkennen, dass BRICS eine ernstzunehmende Organisation mit grossen Zielen ist. 

BRICS – eine heterogene Gruppe

Einleitung

Im ersten Teil dieser Serie haben wir das zahlenmässig riesige Potential dieser Vereinigung erkennen können. Ein Potential, welches die Macht und Kraft des gesamten kollektiven Westens um ein vielfaches übertrifft. Potential ist eines – aber man muss es auch ausschöpfen können und dies ist nur möglich, falls die grossen Mitglieder an einem Strick ziehen und BRICS als Einheit auftreten vermag. Damit kommen wir zur grössten Herausforderung dieser Gemeinschaft.

Die Heterogenität der Mitglieder

China, Indien und Russland sind – bereits aufgrund ihrer schieren Grösse – die Führer dieser Gemeinschaft. 

Allen drei ist eines gemein: Sie sind für sich allein gesehen alle ein Wunder: China als die Nummer 1 ist bevölkerungsmässig mit Indien die Nummer 1, gemäss Bruttosozialprodukt die klare Nummer 1. Das politische System Chinas darf man als autoritär bezeichnet werden.

Indien ist für mich als Land das grösste Wunder: Hunderte von Ethnien, eine Vielzahl von Religionen und Sprachen und eigentlich ein konstantes instabiles Gebilde, das es fertiggebracht hat, trotz aller Schwierigkeiten als Demokratie zu bestehen. Indien ist ein Phänomen. 

Russland, das ich persönlich am besten kenne, besteht ebenfalls aus mehr als hundert Völkern und somit Mentalitäten und die schiere Grösse ist nicht nur ein Vorteil, sondern administrativ und kostenmässig eine Herausforderung, deren sich die meisten Europäer – allen voran die Schweizer – nicht bewusst sind. 

Stellen Sie sich einmal vor, die Eisenbahnchefs des gesamten Landes halten eine Telefonkonferenz ab: Ist es am westlichen Ende des Landes 7 Uhr am Morgen, macht sich der Kollege im Osten zum Abendessen bereit, denn von dort, wo er spricht, ist es bereits 6 Uhr abends. 

Auch Russland ist eine Demokratie, wenn auch eine eng geführte. Präsident Putin als Diktator zu bezeichnen ist reine Propaganda und schlicht falsch. Herr Putin muss sich regelmässig Wahlen stellen. Er wäre schon lange weg vom Fenster, falls es Russland schlecht ginge. Seine Zustimmungsrate beträgt 80% – gemessen und gefühlt.

Alle Grossen von BRICS haben somit für sich selbst – aufgrund der Grösse und Heterogenität ihrer Gesellschaften – grosse Herausforderungen zu bewältigen.

Somit ist es nur logisch, dass BRICS als Einheit eigentlich eine Illusion ist. Es ist und wird auch in der Zukunft äusserst schwierig sein, einen gemeinsamen Nenner zu finden. 

Neben den grossen Drei haben wir noch Brasilien in Südamerika. Auch Brasilien ist riesig, hat eine mehr als bunte Mischung aus Ethnien und Mentalitäten und ist fast unmöglich zu führen. 

Schliesslich kommt Südafrika dazu, ein Land, welches von den westlichen Kolonialmächten über Jahrhunderte geschunden und geplündert wurde und bis vor Kurzem eine Rassentrennung hatte, für die sich eigentlich jeder Mensch schämen müsste. 

Den jetzigen Bestand von BRICS teilen sich somit alles Länder, welche für sich und mit sich Herausforderungen zu bewältigen haben, damit sie als Einzelteile nicht zerfallen.

Die wichtigsten neuen Mitglieder auf der langen Liste der Kandidaten sind Saudi Arabien und der Iran. Bis vor kurzem Todfeinde und hochreligiös. Diese beiden weiteren Mitglieder auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen, sind weitere Herausforderungen.

«Jetzt kommt aber die grosse Frage, wie das zu bewerkstelligen ist.»

Einigen wir uns darauf, dass BRICS ein sehr heterogene Gemeinschaft ist und mit wachsender Mitgliederzahl bleiben wird.

Alle gegen die westliche Hegemonie

Das erklärte gemeinsame Primärziel besteht darin, sich vom westlichen Missbrauch zu befreien. Ein Missbrauch, welcher – wir haben es vor allem im Zweiten Teil dieser Serie gesehen – auf dem Petrodollar fusst. 

Jetzt kommt aber die grosse Frage, wie das zu bewerkstelligen ist. 

Die geopolitische Situation ist nicht gleich für alle Mitglieder von BRICS. China und Russland wurden – durch die Politik der USA – zu wirklichen Feinden Amerikas. 

Man kann wertungsfrei feststellen, dass die USA tatsächlich gezwungen sind, China und Russland zu bodigen, ansonsten sie die Weltherrschaft verlieren und damit ihre darauf stehende Wirtschaft. Das ist ein Fakt.

Das grosse Problem für BRICS ist, dass etwa Indien sich weder als Verbündeter Chinas oder Russland sieht, noch als Feind der USA.

Der Subkontinent denkt ganz anders. Indiens Ziel sind gute Beziehungen zu Allen – zum Westen und zum Osten. Diese Haltung ist ein direkter Ausfluss der indischen Mentalität. Aussagen der indischen Führung geben einen guten Aufschluss dazu und Fakten sprechen. Ein sehr schönes Beispiel für die Offenheit der Inder ist etwa die Tatsache, dass Indien Waffen aus Amerika, Russland und China bezieht und somit zeigt, dass sie eine völlig ideologiefreie Haltung an den Tag legt. 

«Das Dollarkorsett ist im Globalen Süden ausser Mode geraten!»

Eine hart Linie, wie diese von Russland und China gefahren wird, ist mit der indischen Mentalität und somit deren Aussenpolitik nicht vereinbar. 

Gemeinsam streben jedoch alle bisherigen Mitglieder an, vom Westen unabhängig zu werden. Diese Unabhängigkeit beginnt – und endet wohl auch – mit einem multipolaren Währungssystem – raus aus dem Korsett des US-Dollars!

Raus aus dem Dollarkorsett

Spekulationen

Das Dollarkorsett ist im Globalen Süden ausser Mode geraten.

Liest man viel über BRICS, so kommt man um die Diskussion einer Gemeinschaftswährung nicht herum. Dutzende von Prognosen und Theorien machen die Runde und viele Exponenten scheinen sich der Sache absolut sicher zu sein, was geschehen wird.

Fakten sind jedoch schwer zu finden. Indien etwa liess vor ein paar Wochen verlauten, dass eine BRICS-Gemeinschaftswährung zur Zeit kein Thema sei, nachdem russische Quellen auf Twitter verlauten liessen, dass ein BRICS-Goldstandard am 22. August Tatsache sei. 

«Auch wir können flugs zum Spielball der amerikanischen Aussenpolitk werden.»

Kommt dazu, dass der Begriff «Goldstandard» überhaupt keine genaue Bezeichnung ist, da man eine Währung auf viele Arten an Gold binden kann – so zeigt es die Geschichte.

Nichtgebrauch des US-Dollars

Was bereits eine Tatsache ist, zeigt sich seit dem Beginn der Blockierung der Fremdwährungsreserven der russischen Zentralbank im März 2022. Viele Länder – nicht nur BRICS – tätigen ihre Handelsgeschäfte seither ohne den US-Dollar, da sie seit der Einfrierung der russischen Fremdwährungsreserven Angst haben. «Auch wir können flugs zum Spielball der amerikanischen Außenpolitik werden.»

Länder wie Indien, China, Russland, Brasilien, Südafrika, Iran, Saudi Arabien und sogar Frankreich tätigen internationale Verträge, welche seit Jahrzehnten im US-Dollar abgewickelt wurden, in ihren jeweiligen Währungen. Dieser Trend nimmt zu und ist für sich allein bereits absolut katastrophal für den Petrodollar und somit auch für die USA.

Wir haben das System des Petrodollars im zweiten Teil unserer BRICS Serie genau beleuchtet und somit ist jedem Leser klar, dass dies eine existentielle Bedrohung für das Petrodollarsystem und somit auch für die USA und ihre Wirtschaft darstellt. 

Gemeinschaftswährung

Eine Gemeinschaftswährung einzuführen und erfolgreich zu machen wird zwischen Ländern, welche derart heterogen sind wie BRICS & Co., äusserst schwierig sein. Ein Blick in den Euroraum genügt, um sich bewusst zu werden, dass es für jene, welche wirklich etwas leisten, katastrophal sein kann. Wer den Euro heute als Erfolg bezeichnet, ist entweder ein Politiker oder ein Ökonom, welcher noch nie im Leben in der Wirtschaft bestehen musste. Soviel zum Thema Euro. Eine gemeinsame Währung nach dem Muster Euro wird von BRICS wohl nicht einmal in Betracht gezogen.

Von den vielen Spekulationen um eine BRICS-Währung, über die man viel lesen kann, sind meines Erachtens die Aussagen von Jim Rickards die interessantesten. Jim Rickards ist einer der klügsten Köpfe, die es in Sachen Wirtschaft gibt. Ich habe alle seine Bücher gelesen – besser verschlungen. Seine Aussagen sind konsistent und werden regelmässig durch die Zukunft bestätigt. Wie alle wirklich gescheiten Leute, macht ihm das Timing regelmässig einen Strich durch die Rechnung, aber wem nicht. 

Er geht davon aus, dass eine Währung geschaffen wird – nennen wir sie BRICS. Nach seiner Meinung wird ein BRICS einer Gewichtseinheit in Gold entsprechen, beispielsweise 1 BRICS = 1 Gramm Gold. 

Damit wäre BRICS an keine Währung – wie etwa dem US-Dollar – gekoppelt. Diese Abrechnungswährung wäre dann auch nicht eintauschbar gegen Gold, sondern lediglich eine Rechnungseinheit. 

Spinnt man den Gedanken weiter, wäre es möglich, dass die jeweiligen Länder BRICS beziehen könnten, falls sie physisches Gold an BRICS Depositenstellen hinterlegen würden, um diese für die Abrechnung im Handelsgeschäft einsetzen könnten. 

Ich gehe davon aus, dass es in diese Richtung geht und dass Gold irgendeine Rolle spielen wird, um einen wirklichen Wert als Abrechnungsgrösse zu erreichen. Leider verfüge ich über keine Kristallkugel.

Wie BRICS diese Probleme lösen wird, werden wir irgendwann erfahren. Die Tatsache allein, dass eine wachsende Anzahl von Ländern im Globalen Süden im Handel untereinander den US-Dollar nicht mehr verwenden, wird die USA als Kriegserklärung betrachten; dies macht die Welt nicht sicherer.

Keine Grossankündigung

Wir kennen es von den westlichen Gemeinschaften wie G7 oder EU: Westliche Politiker lieben es, grossartige Ankündigungen zu machen, Schlussprotokolle mit goldenen Füllfederhaltern auf Lederunterlagen zu unterzeichnen und Pressekonferenzen abzuhalten, um Ergebnisse zu verkünden, die keine sind.

Ich glaube nicht, dass der BRICS-Gipfel in einer grossartigen Ankündigung gipfelt. Es ist durchaus möglich, dass – falls weitreichende Entscheide gefällt werden – dies hinter verschlossenen Türen geschehen und bei den Pressekonferenzen der Ball tief gehalten wird. 

Lange müssen wir uns nicht mehr gedulden.

BRICS – Teil 3

12 Kommentare zu „BRICS – Teil 3

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