US-Strategie auf der Krim – Ein Blick 10 Jahre zurück

Fakt ist, dass die Amerikaner Militärbasen auf der Krim planten – die Russen verhinderten dies.

René Zittlau

Einleitung

Es liegt nun fast 10 Jahre zurück, dass beim russischen FSB die Alarmglocken wohl eine neue Klangfarbe annahmen. Ich nehme nicht an, dass man dort sehr überrascht war, vielmehr dürfte man sich dort bestätigt gefühlt haben in der Einschätzung der „Partner“ in Übersee. Und die Veröffentlichung, die die Alarmglocken nun etwas schriller läuten ließen, dürfte mit Sicherheit das Ihrige zu den Entwicklungen des Jahres 2014 beigetragen haben.

Das, wovon wir hier schreiben, bestätigt für sich genommen alle Kritiker der US-Politik in der Annahme, dass es sehr ratsam ist, bei der Bewertung der Absichten der US-Politik vom negativsten Szenario auszugehen.

Die Amerikaner wollen auf der Krim bauen – keine Schulen

Das Naval Engineering Facilities Command (NAVFAC) ist eine Struktureinheit des Pentagon mit einem Jahresumsatz in Milliardenhöhe. Es ist für die Planung, den Entwurf, den Bau und die Instandhaltung von Küstenanlagen der US-Marine in aller Welt zuständig.

Im April 2014 informierte der damalige Premierminister und heutiges Oberhaupt der Krim, Sergej Aksjonow, in einer Twitter-Meldung die Öffentlichkeit über geplante und vom Pentagon finanzierte Baumaßnahmen auf der Krim. Diese Meldung erreichte im Westen bei weitem nicht die Verbreitung und Aufmerksamkeit, die sie verdient hätte. Eine öffentliche Diskussion hätte leicht wohlformulierte, über Jahre in den Medien platzierte Propaganda-Erzählungen, neudeutsch Narrative, ins Wanken bringen, zumindest jedoch Nachdenklichkeit auslösen können.

Zu jener Zeit im April 2014 beherrschten andere Schlagzeilen die Medien der westlichen Welt. Es war die Zeit des Maidan, in Folge dessen die Ukraine ihren Krieg gegen die eigene Bevölkerung im Osten des Landes begann, als Anti-Terror-Operation verbrämt. Es war die Zeit, als Russland die Kontrolle über die Krim übernahm.

Für Beobachter, die versuchten, das Puzzle im Ganzen zu betrachten, war jedoch schon damals klar, dass die genannten Ereignisse einander bedingen. Damals war es noch möglich, dass die FAZ einem Reinhard Merkel, Professor für Strafrecht und Rechtsphilosophie an der Universität Hamburg, großen Raum gab, Annexion und Sezession an eben diesem Beispiel Krim in seinem Artikel «Kühle Ironie der Geschichte» kontrovers zu erläutern. Freilich, auch das sei gesagt, ohne seinen Titel zu nennen und somit die Wirkung seiner Worte bewusst einschränkend.

In jene Zeit müssen wir also die Nachricht einordnen, die von Sergej Aksjonow bekannt gemacht wurde.

Am 5. September 2013 wurde auf der Webseite des o.g. NAVFAC der folgende Tender unter der Registrierungsnummer N33191-13-R-1240 veröffentlicht:

Bei dem Dokument handelt es sich um eine Ausschreibung für den Wiederaufbau der Schule Nr. 5 in Sewastopol, und zwar als US-Marinestützpunkt. Ein US-Stützpunkt praktisch Tür an Tür mit der russischen Schwarzmeerflotte.

Die Gebote sollten bis Ende Oktober 2013 vorliegen. Die Ausschreibungsfrist betrug keine zwei Monate.


Laut den 124 Seiten der Leistungsbeschreibung sollte das beauftragte Unternehmen das Dach über dem Mitteltrakt der Schule renovieren, einige Räume, Fensteröffnungen, Fassaden, Umkleideräume und Duschräume reparieren und neu gestalten. Die Beschreibung lässt es wie eine gewöhnliche Schulrenovierung aussehen.

Das US Naval Engineering and Construction Command ist in der Ausschreibung als Auftraggeber aufgeführt. Laut der NAVFAC-Website entwirft, baut und unterhält es Einrichtungen und Infrastruktur für verschiedene Einheiten der US-Marine.

Ein weiteres interessantes Detail aus der Ausschreibung:

„Alle Arbeiten müssen innerhalb von 330 Kalendertagen nach Zuschlagserteilung abgeschlossen sein“

Fassen wir kurz zusammen:

Im September 2013 veröffentlicht das Pentagon einen Tender für den Umbau einer Schule in Sewastopol zu einem Objekt des US-Marine-Corps. Ende der Ausschreibung: 21. Oktober 2013. Nach Zuschlagerteilung sollten die Arbeiten innerhalb eines Jahres abgeschlossen sein.  

Am 15. April 2014 wurde die Ausschreibung dann «aufgrund der aktuellen Situation in der Ukraine» annulliert.

Ausschreibungen dieser Art werden durch das Pentagon oft mit parallel dazu laufenden Baumaßnahmen im zivilen Bereich begleitet, das Image ist den Amerikanern wichtig. So auch in diesem Fall. Am 12. Dezember veröffentlichte das Pentagon den Tender N33191-14-R-0601.

Darin heißt es:

«Die Arbeiten umfassen den Wiederaufbau der Abteilungen für Neugeborene und Infektionskrankheiten im Republikanischen Kinderkrankenhaus in Simferopol. Die geschätzten Baukosten liegen zwischen 250.000 und 500.000 $. Der Auftragnehmer sollte alle Arbeiten innerhalb von 360 Kalendertagen nach der Auftragsvergabe abschließen».

Auch dieser Tender wurde am 14. April 2014 aufgrund der „Änderung der Situation“ geschlossen.

Der Beitritt der Krim zu Russland hatte alle amerikanischen Pläne auf der Halbinsel zunichte gemacht.

Wie wichtig den USA die Krim war, zeigen weitere Veröffentlichungen über die geplante US-Militärpräsenz auf dieser Halbinsel:

Den USA war von Anfang an klar, dass im Falle einer Stationierung ihrer Flotte in Sewastopol die Schiffseinheiten auf Grund des Vertrages von Montreux aus dem Jahre 1936 nur rotierend vor Ort sein durften, nicht länger als 21 Tage. Denn die USA sind kein Anrainerstaat.

Dieser Vertrag gilt jedoch nicht für Heeres- und Luftstreitkräfte. So strebten die USA an, den Militärflugplatz Belbek für den Bedarf der vorgeschobenen Luftstreitkräfte zu nutzen, zu denen sowohl Spionageflugzeuge als auch Bomber und Jagdflugzeuge gehören.


Auch eine unterirdische U-Boot-Basis in Sewastopol, die von Russland außer Betrieb gesetzt wurde, sollte wieder aktiviert werden. Als Zweck wurde die Kontrolle über die Schwarzmeergewässer genannt. Darüber hinaus sollten die ukrainischen U-Boote, deren Stationierung dort vorgesehen war, mit amerikanischem oder europäischem Personal betrieben werden.  

Bei all diesen Vorhaben ging es darum, die Kontrolle über das Schwarze Meer im Allgemeinen und die Schwarzmeerflotte Russlands im Speziellen zu organisieren. Dazu sollten auch in den Bunkern der Sotka-Anlagen US-Raketen installiert werden sollten. Das Sotka-Objekt gehörte zu den hochgeheimen Objekten der UdSSR zur Küstenverteidigung. Die USA beabsichtigten die Stationierung von Raketen, die zur Kontrolle des Schiffsverkehrs und zur Bekämpfung von Überwasserzielen eingesetzt werden können sowie feindliche Landungstruppen daran hindern, die Küste zu erreichen.

Militärflugplätze rund um Sewastopol

Und die Träume gingen noch weiter.

In der Nähe der Alten Krim und Feodosia, auf dem Berg Kiziotash, hatte die UdSSR in einem Atombunker Atombomben und Sprengköpfe stationiert. Von hier aus wurden während der Kubakrise 1962 auch mehrere Bomben nach Kuba geschickt. Die Vereinigten Staaten planten, an diesem von der UdSSR stillgelegten Objekt einen vorgeschobenen Gefechtsstand einzurichten.

«Um die Gegenwart zu verstehen, muss man die Geschichte kennen.»

Zusätzlich zu den oben genannten Standorten planten die USA, in Feodosia im Osten der Krim ein Übungsgelände für NATO-Militärs einzurichten. Die USA wollten dies bereits 2006 tun, wurden jedoch damals von der lokalen Bevölkerung zur Aufgabe der Pläne gezwungen. Später wurde dieser Plan zumindest teilweise realisiert. Hier fanden während der Übernahme der Krim durch Russland die einzigen Gefechte zwischen russischen Spezialeinheiten und ukrainischen Einheiten statt. Daran sollen auch NATO-Kräfte teilgenommen haben.

Es ist davon auszugehen, dass die genannten Pläne nur einen Teil der tatsächlich angestrebten US-Präsenz darstellen. Doch allein diese Informationen belegen, was von den immer wieder lautstark verkündeten Äußerungen zu halten ist, der Maidan 2013-14 sei eine rein innerukrainische Angelegenheit gewesen und eventuelle Pläne zur militärischen Nutzung der Krim völlig aus der Luft gegriffen und hätten somit auch keine Rolle bei der Planung und Durchführung des Maidan spielen können …

Fazit

Die Krim ist nicht nur ein touristisches Juwel. Sie ist der Stachel im Fleisch, wenn es um die strategische Kontrolle des Schwarzen Meeres sowie der Anrainerstaaten geht und besitzt damit eine überragende militärische Bedeutung.

Nicht zuletzt wird diese militärische Binsenweisheit auch durch die verzweifelten Versuche der Ukraine und ihrer NATO-Verbündeten bestätigt, um jeden Preis einen Zugang zur Krim zu schaffen, um diesen dann für eine Eroberung der Halbinsel zu nutzen.  

Um die Gegenwart zu verstehen, muss man die Geschichte kennen.

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19 Kommentare zu „US-Strategie auf der Krim – Ein Blick 10 Jahre zurück

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