Die Meuterei – Prigoshins Kampf um die Deutungshoheit

Aussagen Prigoshins und Putins – eine Einordnung

René Zittlau

Am 27. Juni veröffentlichten wir die Ansprache des russischen Präsidenten Wladimir Putin vom 26. Juni 2023 an das russische Volk. 

Auch wenn er den Namen Prigoshin nicht nannte, so ist es dennoch für jeden klar, dass diese Rede in Reaktion auf die Äußerungen Prigoshins in zwei Audio-Nachrichten nach seiner Ausreise nach Weißrussland erfolgte, in der dieser auf seine Art versucht, sein Verhalten, das Verhalten der Wagner-Gruppe während der Meuterei am 23./24./25. Juni 2023 zu rechtfertigen. 

Während die Rede Putins für jeden erkennbar von Verantwortung für Staat und Volk, für die so schon sehr schwierige Situation getragen ist, bleiben bei der Analyse dessen, was Prigoshin der Welt mitzuteilen meinte, wenig Fragen offen, wessen Geistes Kind er ist. 

Heute, praktisch nur Stunden später, auch nach diversen Veröffentlichungen von am Geschehen Beteiligten – nicht zuletzt des weißrussischen Präsidenten Lukaschenko – zeigt sich ein Bild von Prigoshin, das den Auftritt und das Handeln von Wladimir Putin nur noch deutlicher als das eines wahrhaft großen Politikers zeigt. 

Hier Prigoshins Kernaussagen:

Im Ergebnis von Intrigen soll die Wagner-Gruppe zum 01. Juli 2023 ihre Tätigkeit einstellen.

Deshalb: Marsch auf Rostow und Marsch auf Moskau mit den Zielen:

„Nichtzulassung der Zerschlagung der Wagner-Gruppe“

„Alle Personen zur Verantwortung ziehen, die durch ihre Handlungen eine enorme Zahl an Fehlern während der Besonderen Militäroperation in der Ukraine möglich machten.“ 

Prigoshin abschließend wörtlich: „Unser Ziel war kein Umsturz des Regimes und der gesetzlich gewählten Macht.“

Abgesehen von den offensichtlichen Widersprüchen in den Aussagen: Es musste jedem Beteiligten klar sein, dass es der Wagner-Gruppe schlicht unmöglich war, die genannten Ziele im Rahmen der bestehenden staatlichen Ordnung und Gesetzlichkeit durchsetzen zu können. Denn die Wagner-Gruppe ist ein rein privatrechtlich organisiertes Unternehmen, das keinerlei exekutive Befugnisse in Russland besitzt. Die Ziele waren das Drehbuch eines Putsches, der dann leicht in einen Bürgerkrieg hätte münden können. 

Angesichts der begrenzten Mittel von Wagner, der komplett fehlenden Unterstützung in der Gesellschaft für Abenteuer dieser Art, komme ich nicht umhin, das Verhalten Prigoshins als größenwahnsinnig zu bezeichnen, bar jeglicher realer Einschätzung der gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse und also losgelöst von der Realität, das Verhalten eines Egoisten, der vor allem anderen den eigenen Machtverlust fürchtete.

Wir können davon ausgehen, dass die in diesem Verhalten für alle offensichtlich gewordenen Charakterschwächen von Prigoshin eine wesentliche Rolle bei der seit einiger Zeit schon auf dem Tisch liegenden geforderten Eingliederung der Wagner-Gruppe in offizielle militärische Strukturen eine erhebliche Rolle gespielt haben dürften. 

Der Machtverlust ist nun Realität. Und die russische Führung wird daraus Lehren ziehen. 

Die Meuterei – Prigoshins Kampf um die Deutungshoheit

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