Die ukrainische Gegenoffensive hat begonnen
Die seit dem November von der Ukraine angekündigte Gegenoffensive hat begonnen – ab jetzt Vorsicht mit der Berichterstattung: Maskirowka!
Peter Hänseler
Einleitung
Seit Monaten kündigt die ukrainische Regierung die «Grösste Gegenoffensive» an.
Lange ist nichts passiert; einmal wegen des Wetters, dann wegen der westlichen Waffenlieferungen, jetzt scheint es loszugehen, jedoch nicht im Süden, sondern an der südlichen Flanke von Bachmut.
Spätestens ab jetzt sollte man alle Quellen – auch die russischen – mit grösster Vorsicht geniessen. Stichwort: Maskirowka
Offensive – Vorteil Angreifer
Die Front hat eine Länge von über 1’000 km. Das ist ein riesiges Dilemma für die Defensive. Wo greift der Feind an? Soll man einen Entscheid fällen und Truppen an jenen Punkten massieren, wo man den Angriff erwartet oder soll man die Truppen gleichmässig verteilen?
Im Frühjahr 1942 betrug die Länge der Ostfront ca. 2’000 km. Stalin erwartete einen weiteren Angriff auf Moskau und viele Kräfte wurden somit in diesem Frontabschnitt massiert.
Er lag falsch. Zahlreiche deutsche Generäle wollten zwar Moskau einnehmen, aber Adolf Hitler brauchte dringend Öl. Die Wehrmacht war nach dem Disaster vor Moskau dermassen geschwächt, dass an einen Angriff auf Moskau und eine Offensive in den Kaukasus nicht zu denken war.
Die Offensive wurde somit im Süden geführt, wo die Russen schwach waren. Sie misslang zwar im Winter 1942 als in Stalingrad die gesamte 6. Armee aufgerieben wurde, aber die Verluste auf russischer Seite waren einmal mehr gigantisch.
Vorankündigungen und Erwartungen
Seit dem Winter ist es das erklärte Ziel der Ukrainer, bzw. der NATO, die Landbrücke der Russen irgendwo zwischen Cherson, Melitopol und Mariupol abzuschneiden und dann die Krim zu nehmen.
Die Russen haben auf der Südfront monatelang Zeit gehabt, Befestigen zu bauen und es scheint gemäss Aussagen von Experten, denen ich Glauben schenke, unwahrscheinlich, dass dies den Ukrainern gelingen wird. Sie haben einfach nicht genug Truppen und Waffen. Es scheint, dass diese Gegenoffensive nicht viel mehr als eine grosse Propagandaaktion ist, welche dazu dient, vor allem die amerikanischen Steuerzahler bei der Stange zu halten.
Diese Strategie wandten die Amerikaner bereits in Vietnam an: Dort wurden Siege vermeldet, welche keine waren und erst nachdem Daniel Ellsberg die Pentagon Papers 1971 veröffentlichte, änderte sich die Stimmung in den USA.
Genau dieselbe Strategie wurde 20 Jahre lang in Afghanistan angewandt – Unwahrheiten, bis sich die US Truppen letztes Jahr in einer erniedrigenden Aktion zurückzogen.
Die Geschichte scheint sich auch in der Ukraine zu wiederholen: Vor ein paar Wochen sahen wir Pentagon Papers 2.0 – wiederum wurde bekannt, dass die Amerikaner ihre Bevölkerung brandschwarz anlogen. Dazu unser Beitrag: «Pentagon Datenleck – Dichtung stirbt, Wahrheit lebt«.
Es wäre aber fatal, die Ukrainer zu unterschätzen. Folgt man den Aussagen der russischen Seite und unabhängigen russischen Bloggern, ist klar: Den Fehler, die Ukrainer zu unterschätzen, begehen die Russen nicht.
Gegenoffensive startet südlich von Bachmut
Zur Überraschung vieler haben die Ukrainer ihre Gegenoffensive jedoch im Norden an der Südflanke der von den Russen besetzten Südflanke Bachmuts begonnen. Das Ziel wird wohl sein, diesen in der Karte orange eingezeichnete Brückenkopf auszuweiten und den Russen in Bachmut in den Rücken zu fallen.
Dies beweist, dass Bachmut nicht irgendeine Stadt mit Symbolwert ist, wie von der Ukraine und dem Westen behauptet, sondern der wichtigste Verkehrsknotenpunkt bei Donezk ist. Fällt Bachmut, so ist der Kampf um Donezk wohl entschieden.
In Bachmut machen die Russen jedoch täglich Fortschritte und es wird um die letzte Zitadelle gekämpft.
Wie diese Gegenoffensive um die Südflanke – und wohl bald auch um die Nordflanke Bachmuts – ausgehen wird, weiss ich nicht, man kann jedoch von einer Verzweiflungstat der Ukrainer ausgehen.
Ab jetzt: Maskirowka – Fehlinformationen werden herrschen
Die Russen haben einen Begriff geprägt: Маскировка, zu deutsch etwa übersetzt als Täuschung oder Tarnung.
Auf diesem Gebiet sind die Russen absolute Meister. Das mag wohl mit der letzten ganz grossen Täuschung vor der Operation Bagration 1944 zusammenhängen, als die Russen es fertigbrachten, die Wehrmacht dahingehend zu täuschen, dass ihre Sommeroffensive gegen die Heeresgruppe Süd stattfinden würde. Darauf stellte sich die Heeresgruppe Mitte in Weissrussland auf einen geruhsamen Sommer ein.
Was danach folgte, mündete in die grösste Niederlage der Wehrmacht in der deutschen Militärgeschichte. Innert sechs Wochen verloren die Deutschen 26 Divisionen und die Russen eroberten ein Gebiet das der Grösse Deutschlands entsprach.
Ich weise jedoch darauf hin, dass die technologischen Voraussetzungen heute anders sind. Es ist wohl nicht mehr möglich, ganze Armeen in der Nacht zu verschieben, ohne dass dies durch Satelliten und Drohnenüberwachung vom Gegner nicht gesehen wird.
Dennoch, die Beobachter – inklusive VoicefromRussia – studieren täglich veröffentlichtes Kartenmaterial, wo genau eingezeichnet ist, wo sich Truppenverbände gerade aufhalten.
Ich gehe davon aus, dass beide Seiten, jegliche dem Gegner und damit auch uns als Beobachter zugängliche Informationen verfälschen werden. Die Russen sind dabei klar im Vorteil – sie haben Zeit; sie müssen ihren westlichen Verbündeten keine Siege präsentieren.
Ich gehe weiter davon aus. dass während dieser Sommeroffensve die Desinformation der Russen ein neues Mass erreichen wird. Das Ziel der Russen ist es nicht, kurzfristig gut auszusehen; das einzige Ziel der Russen wird sein, zu obsiegen.
Fazit
Die Ukrainische Gegenoffensive hat begonnen, jedoch nicht – wie erwartet im Süden – sondern an der Südflanke von Bachmut.
Daraus kann geschlossen werden, dass Bachmut – entgegen den Beteuerungen der Ukraine – nicht nur symbolischen Wert hat, sondern eine Schlüsselstellung zukommt.
Bachmut selber hängt für die Ukrainer an einem seidenen Faden. Falls es keine grosse Überraschungen gibt, werden die Russen in den kommenden Wochen die letzten Befestigungen in Bachmut erobern.
Ob die Ukrainer die Kraft haben, im Süden den Landkorridor der Russen abzuschneiden, scheint meines Erachtens höchst unwahrscheinlich, was aber auch heisst, dass im Krieg alles möglich ist.
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